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Wie in meinem letzten geschriebenen Bericht schon erwähnt, habe ich nach einem halben Jahr Freunde zum Verreisen, Ausgehen und Abschalten gefunden, große Fortschritte in Spanisch gemacht und buchreife Momente mit den Kindern und Educadoras, sowie mit den Freiwilligen aus Italien in der Casa Familiar de los Ceibos teilen können.

Nun möchte ich gerne den Blick von meiner Arbeit als Freiwilliger in Ecuador abwerfen und auf das Leben als Freiwilliger in Ecuador eingehen, da dies ebenfalls ein wichtiger und großer Teil ist. Glücklicherweise muss man nicht nur arbeiten, sondern hat auch Freizeit um die verschiedenen Kulturen, Menschen und Gebräuche kennenzulernen.

Ich würde gerne über eine weitere und prägende Situation berichten, die mir ca. im April 2018 geschehen ist.

Es geht um die Freundschaft mit einer Kellnerin, die ich in dieser Zeit in einer Mall getroffen habe, als ich den Zahnarzt im Tiefgeschoss besuchte, um mich behandeln zu lassen. Ich klagte längere Zeit über Kieferschmerzen. Insgesamt musste ich mich 3 mal untersuchen lassen, da bei mir eine Kieferfehlstellung festgestellt wurde, welche den Schmerz auslöste. Die Zahnärztin war eine sehr nette 27-Jährige aus Venezuela. Genau wie die nette Kellnerin im Kaffee im Erdgeschoss, wie sich später herausstellen sollte.

Die Kellnerin schaute mich wahrscheinlich aufgrund meines Aussehens bei jedem Besuch des Zahnarztes verwundert, aber dennoch sympathisch an und lächelte nach 5 Sekunden des Rätselns. So verlief es über 3 Wochen. Jede Woche einen Zahnarztbesuch und jede Woche dieselben ungläubigen Blicke und ein nettes Lächeln, welches mir von der neugierigen Kellnerin geschenkt wurde. So wurden mir die Zahnarztbesuche doch noch etwas angenehmer gemacht.

Nach dem dritten Mal wurde mir gesagt, dass ich den Zahnarzt wechseln müsse, da ein Kieferorthopäde nun weiter machen solle. Das veranlasste mich dazu, mir einen Kaffee zu kaufen und raten sie mal wo? Richtig, bei der sympathischen Kellnerin.

Ich bestellte mir einen doppelten Espresso und wir kamen sofort ins Gespräch. Sie fragte mich, was ich in Ibarra mache und woher ich käme, um ihr Rätselraten zu beenden. Ich fragte dasselbe. Bei ihren Fragen ließ ich sie raten. Das außergewöhnliche war, dass sie nicht wie 90 % der Ecuadorianer dachte ich sei aus den USA, sondern Franzose.

Als ich nun die Fragen stellte, drehte sie den Spieß um, setzte sich mit mir an den Tisch und ließ mich rätseln. Natürlich versuchte ich auch durch ihr Äußeres ihre Nationalität zu entschlüsseln, was gar nicht so einfach schien, wie sich herausstellte. Nach drei Fehlversuchen löste sie es auf und sagte mir, dass sie aus Venezuela sei und erst seit fünf Monaten in Ibarra lebe. Kürzer als ich, was mich natürlich neugierig machte. Ich fragte sie, wieso sie hier in Ecuador sei, ob sie umgezogen sei und weitere Fragen, die diesbezüglich Sinn ergeben würden. Zeit hatte sie jedoch leider nicht mehr, da ein neuer Kunde kam und sagte mir, während sie den Tisch verließ, dass ich doch morgen Abend vorbeikommen solle, um einen Kaffee mit ihr zu trinken. Ich sagte natürlich ja, da das kurze aber interessante Gespräch meiner Meinung nach zu schnell endete.

Am nächsten Abend, sah ich sie dann wieder. Die neugierigen und fragenden Blicke bekam ich diesmal nicht, lediglich das sympathische lächeln. Wir setzten uns und fingen da an, wo wir aufhörten, nachdem sie mir sagte, dass der Kaffee auf's Haus ginge. Sie erzählte mir, dass sie mit ihrer Familie, welche aus ihrer Mutter, ihrer 9-jährigen Schwester und 3-jährigem Bruder bestünde, in Ecuador wohne und ihr Vater noch in Venezuela sei, um sich um seine Mutter zu kümmern. Als ich sie fragte, wieso sie hier sind bzw. wieso ihr Vater nicht auch mit seiner Mutter hier ist, musste ich länger auf eine Antwort warten.

Sie hielt inne und der fragende Blick kehrte zurück… „Soll ich's erzählen oder nicht?“ dachte sie sich. Sie fing dennoch an und sagte mir, dass sie mit ihrer Familie aus Venezuela geflohen sei um der Wirtschaftskrise und dem zusammenfallenden Staat zu entgehen, der durch Maduro, dem venezolanischen Präsidenten, ausgelöst würde. Sie erzählte mir, dass die Kriminalität gestiegen wäre und es mittlerweile zu gefährlich sei in Venezuela zu leben; Schüler in die Schule gehen, die Lehrer jedoch nicht mehr da sind. Dasselbe gilt für Studenten und Professoren. Auch seien die Krankenhäuser nicht mehr in der Lage Behandlungen zu geben, welche für die Patienten nötig wären, Versorgungsmittel fehlen würden, da Maduro Hilfspakete aus der ganzen Welt wieder zurück schickt, er der Öffentlichkeit nicht preisgeben möchte in einer Krise zu sein und man in Venezuela umgerechnet 3 $ im Monat verdient und das Überleben unmöglich scheint.

Natürlich hat sie mir auch die Chance gegeben Fragen zu stellen und mir Zeit gegeben die Situation verstehen und nachvollziehen zu können.

Wir führten das Gespräch insgesamt 1 ½ Stunden in denen ich ziemlich zum Nachdenken angeregt wurde. Ich ging in mich und fragte mich, wie ich selbst in solch einer Ausnahmesituation reagieren und mich fühlen würde. Ich wusste keine Antwort, aber die Person gegenüber des Tisches schien stark zu sein und das beeindruckte mich sehr.

Meine Neugier wurde geweckt und ich wollte mehr über das Land und die Leute erfahren, so dass ich weiterhin in das Café ging, um mit ihr zu sprechen. Durch ihre offene Art und ihren Wissensdurst hatten wir immer ziemlich interessante Gespräche und uns wurde nie langweilig. Sie merkte ziemlich schnell, dass ich an ihrem Schicksal interessiert bin und wusste es sehr zu schätzen. Sie stellte mich zuerst ihrem Cousin vor, der mir ebenfalls viele Dinge erzählte; das seine Familie eine Bäckerei gehabt hätte, sie das Geschäft jedoch nicht mehr halten konnten und schließlich auch vor der Armut und der Kriminalität geflohen sind. Demzufolge war er gezwungen im sechsten Semester sein Studium abzubrechen, sein dortiges Leben hinter sich zu lassen und den Weg nach Ecuador zu beschreiten.

Kurz danach lernte ich auch die restliche Familie kennen, ihre liebenswerte Mutter und ihre zwei Geschwister, um die sich die Mutter Vollzeit kümmern muss, da es für die Kinder ohne Visum nicht erlaubt ist die Schule bzw. den Kindergarten besuchen zu können. Wieso machen sie sich dann kein Visum, habe ich mich gefragt und nahm mir vor, bei näherer Gelegenheit die sympathische Kellnerin zu fragen. Sie sagte mir, dass das Visum sei zu teuer, dass sie es sich nicht leisten könnten und eventuell Anfang Juli nach Peru reisen müssten, da erstens in Peru das Visum deutlich preiswerter ist und zweitens Freunde ihrer Mutter dort leben würden, die ihr helfen könnten. Außerdem erzählte sie mir, dass pro Tag nur eine gewisse Anzahl an Visa ausgestellt werden können und ihr Cousin nachts vor der dafür zuständigen Institution auf der Straße campen würde, um eine Chance zu haben, da die Schlange enorm sei und es aufgrund der begrenzten Anzahl und der hohen Nachfrage quasi unmöglich ist, ein Visum zu bekommen.

Aus anderen Quellen hörte ich, dass Anfang Juli rund 2 Millionen Venezolaner die Grenze überqueren wollen; Tendenz steigend. Sie selbst hatte noch das Glück 3 Tage am Stück mit dem Bus nach Ecuador zu reisen, andere, erzählte sie mir, laufen mittlerweile…Des weiteren existieren beim „Ministerio de Migracion“ bis März 2019 keine Termine mehr um das Visum beantragen zu können, da die Kapazitäten der Ministerien erschöpft seien.

Durch ihre offene Art und durch ihre Mitteilungsfreude, verbringen wir viel gemeinsame Zeit in Ecuador und tauschen uns über das Leben in ihrem und meinem Land aus, aber auch über das Leben hier in Ecuador, als Ausländer. Sei es als weißer „Gringo“ oder als venezolanischer Flüchtling. Sie berichte mir nämlich häufig, dass sie und andere Venezolaner rassistische Kommentare zu spüren bekämen und sie in Ecuador einen Ruf als Verbrecher, Mörder und Schmarotzer besäßen, unterstrich jedoch auch, dass nicht alle Personen so denken, es jedoch dennoch oft vorkommen würde.

In dieser Zeit habe ich sie, ihre Familie und ihre dazugehörige Kultur sehr gut kennengelernt, wie auch ihren Chef und ihre Freunde. Wir besuchen Freunde der Familie, kochen zusammen und laufen durch die Stadt um Einkäufe zu machen oder verbringen die Zeit einfach damit uns zu unterhalten und zu lachen.

Wie man jedoch sehen kann ist die „Flucht“ nicht nur in Europa ein großes Thema, sondern auch in anderen Teilen der Welt! Dennoch möchte ich diesen Bericht mit einem schönen Zitat enden lassen.

 „Von allen Geschenken, die uns das Schicksal gewährt, gibt es kein größeres Gut als die Freundschaft - keinen größeren Reichtum, keine größere Freude.“

Epikur von Samos – Griechischer Philosoph

 

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