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Begegnungen

Ob sie mir bitte mit der Richtung zu einem kleinen Dorf in den Anden helfen könne, fragte ich neuerdings eine Frau auf einer Wanderung in den Bergen. Doch daraus wurde nichts. Zurück bekam ich im sonst eher konversationsfreudigen Ecuador nur verdutzte Blicke und eisernes Schweigen.
Ich ging weiter und hoffte in die richtige Richtung zu gehen. Links und rechts von mir erhoben sich die Berge in unbeschreibliche Höhen. Zu hören war alleine das Rascheln der Pflanzen im Wind.
Nach einiger Zeit passierte ich ein kleineres Haus, das schon von weitem als eine große Galerie der auch in Europa bekannten Tigua-Kunst angekündigt wurde. Der Name dieser Kunstform stammt von der kleinen Gemeinde Tigua, in der indigene Künstler seit vielen Jahren Trommelbespannungen mit farbenfrohen Schilderungen des Lebens in den Anden bemalen. Diese wurden allerdings in den 1970er-Jahren von Julio Toaquiza durch Leinwände ersetzt und so durch ihn berühmt gemacht.
JonathanSommer02

Schon von weitem sah ich eine Familie auf den Feldern arbeiten, die dieses Haus umrundeten. Kurz stehengeblieben, um die malerische Kulisse zu bewundern, wurde ich prompt in die Galerie eingeladen. Diese entpuppte sich allerdings sehr schnell als improvisiert im Wohnzimmer des Hauses ausgehangene Gemälde.
Ganz geduldig erzählt mir der Mann vom Leben in der Abgeschiedenheit, vom Leben ohne fließendes Wasser, ohne Internet, ohne Computer, ohne Herd und nicht zuletzt ohne funktionierendes Kommunikationssystem in einer Höhe von circa 3500m über dem Meeresspiegel. Er erzählte mir von einem Leben, wie ich es nie kennengelernt habe und das es in dieser Form in Deutschland auch kaum existiert. Er klärte mich zudem über die Tigua-Kunst und dessen Historie auf.
All dies erschien mir dermaßen interessant und schon bald waren wir in ein ernsthaftes, informatives Gespräch vertieft. Er zeigte mir die Andeninstrumente, die er selber aus Holz gemacht zu haben scheint und gab einen kleinen Geschmack der Andenmusik von sich.
Anschließend kamen wir so langsam auf die spanische Sprache zu sprechen. Anfangs fiel mir bereits auf, dass er auch nur ein mittelmäßiges Spanisch zu sprechen schien, sofern mir eine Bewertung als nicht Muttersprachler überhaupt zusteht. Er erzählt mir von seinen indigenen Vorfahren. Im Zimmer nebenan, welches sich durch den Vorhang leicht als Schlafzimmer der beiden Söhne ausmachen lässt, hört man leise Stimmen in einer anderen Sprache sprechen.
Ich frage den Mann leise, welche Sprache es wäre. Er antworte mit einem Lächeln „Quichua“. Mir wird langsam klar, warum mich die Frau, die ich nach dem Weg gefragt habe, nur verdutzt anguckte. Sie konnte überhaupt kein Spanisch! In diesem Teil des Andenhochlandes Ecuadors gab es anscheinend viele Monolinguisten! Um mich zu versichern fragt ich den Mann und bekam prompt eine Bestätigung dieser Gedanken.
Für mich ist dies etwas sehr besonderes und seltenes, denn die Anzahl der Quichua-Sprecher geht kontinuierlich zurück. Dieses Phänomen betrifft genauso andere indigene Sprachen in anderen Ländern Lateinamerikas. Einige sind bereits ausgestorben oder es gibt nur noch wenige hundert Menschen, die sie noch sprechen. Das trifft auf das Quichua so nicht zu, da es mit ca 2,5 Millionen Sprechern im Andenhochland Ecuadors noch immer ziemlich weit verbreitet ist (neben anderen größeren indigenen Sprachen in Lateinamerika wie das Nahuatl in Mexiko oder das Guaraní in Paraguay).
Trotzdem ist auch hier die Tendenz bezüglich der Sprecherzahlen sinkend. Monolinguale Quichua-Sprecher erkennen die soziale Notwendigkeit, Spanisch zu sprechen und erlernen es, um so eventuell Arbeit zu finden. Das erlernte Spanisch wird den eigenen Kindern mit einer höheren Priorität beigebracht. Damit haben sie eine größere Chance, in der ecuadorianischen Gesellschaft Arbeit zu finden und überleben zu können.
So gesehen ist durch den sozialen Druck der Vorherrschaft des Spanischen und dessen Notwendigkeit für eine erfolgreiche Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft, dem Quichua eine dementsprechend untergestellte Rolle zugeteilt. Selbst Gesetze, die indigene Sprachen dem Spanisch als offizielle Sprache gleichgestellt werden (wie z. B. das Quechua in Peru seit 1975), können und werden daran nichts ändern. Es nützt keine Gleichstellung der Sprachen, wenn deren Sprecher keine Interessen an dessen Erlernen zeigen. Es besteht derzeit in den meisten Unternehmen kein Interesse an der Förderung des Bilinguismus, begründet sich mit der Tatsache, dass durch Globalisierung und vorherrschendes Wirtschaftssystem ein schneller und effizienter Handel erfolgen muss, um sich als Unternehmen auf dem Markt behaupten zu können. Dazu wird dann verständlicherweise Spanisch gebraucht, welches derzeit die am zweit meisten gesprochene Sprache auf der Erde ist. Projekte, die Bilingualismus fördern sind zu begrüßen.
Dabei darf nicht die vergessen werden, dass es wichtig ist, dies auf eine Art und Weise umzusetzen, die nicht nur Sprache an sich vermittelt, sondern auch ein gegenseitiges Kennenlernen und Respektieren der anderen Kultur als gleichwertig.
Ich verabschiedete mich von dem überaus gastfreundlichen und geduldigen Mann und ging weiter. Es fühlte sich so wie so oft in diesem Freiwilligendienst an, schon wieder war ich ein Stück gereift, größer und gewachsen, in der Hoffnung, ebenso denselben Effekt auf meine Umwelt zu haben. Denn diese Begegnungen machen den Freiwilligendienst zu dem, was er ist, zu einem Austausch von Lebensweisen und von- sowie miteinander lernen! Für solche Begegnungen bin ich sehr dankbar.

 

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