Der fehlende Tourismus in Ecuador
Ecuador ist ein Land mit atemberaubender Vielfalt wie zum Beispiel, der Amazonas, der Regenwald, die Anden, die Küste, die Galápagos-Inseln und nicht zu vergessen die Übergangsregionen zwischen Anden, Regenwald und Küste. Trotz dieser kulturellen, geografischen und ökologischen Schätze bleibt der Tourismus weit hinter dem Potenzial zurück, das vorhanden ist oder einmal existiert hat. In den letzten Jahren ist die Zahl der Tourist*innen stark gesunken, was sich deutlich auf die Bevölkerung und die Wirtschaft ausgewirkt hat.
Warum ist der Tourismus zurückgegangen?
Es gibt verschiedene Faktoren, die zum derzeitigen Rückgang des Tourismus beitragen. Ein wesentlicher Grund ist die politische Instabilität im Land. Wiederkehrende Proteste, Streiks, Korruptionsskandale und Sicherheitsprobleme schrecken viele internationale Reisende ab. Negative Schlagzeilen in internationalen Medien verstärken dieses Bild und lassen Ecuador als „unsicheres Reiseziel“ erscheinen, obwohl die Realität oft differenzierter ist.
Insbesondere in Dokumentationen wird häufig ein einseitiges Bild gezeigt, das sich auf Themen wie Drogen- und Menschenhandel konzentriert. Ich habe selbst solche Berichte gesehen und festgestellt, dass sie oft verallgemeinern. Es entsteht der Eindruck, als sei das ganze Land von den Problemen betroffen, die in bestimmten Küstenregionen vorkommen, was so nicht der Realität entspricht.
Ein weiterer Faktor ist die mangelnde internationale Werbung. Während Länder wie Peru oder Costa Rica intensiv in touristisches Marketing investieren, ist Ecuador auf dem Weltmarkt kaum präsent. Viele Menschen wissen zwar, dass es die Galápagos-Inseln gibt, sind sich aber nicht bewusst, dass sie zu Ecuador gehören, geschweige denn, was das Land sonst noch alles zu bieten hat.
Auch die Corona-Pandemie hat tiefe Spuren hinterlassen. Viele Reiseanbieter, Hotels und kleine Tourismusbetriebe mussten schließen und haben sich bis heute nicht vollständig erholt. Die wirtschaftliche Unsicherheit hemmt weiterhin die Reisebereitschaft vieler Menschen.
Die Auswirkungen auf die Bevölkerung
Der Rückgang des Tourismus hat weitreichende Folgen, insbesondere für Menschen, die direkt oder indirekt im Tourismussektor arbeiten. In vielen Regionen ist der Tourismus eine der wenigen Einkommensquellen neben Landwirtschaft oder Handwerk. Fehlen die Tourist*innen, bricht häufig die gesamte lokale Wirtschaft ein.
Gerade indigene Gemeinschaften, die in den letzten Jahren nachhaltige und kulturell respektvolle Tourismusprojekte entwickelt haben, sind stark betroffen. Diese Projekte waren nicht nur ökonomisch relevant, sondern auch ein Mittel zur Sichtbarmachung und Bewahrung der eigenen Kultur sowie zur Förderung selbstbestimmter Lebensweisen.
Auch als ich eine indigene Gemeinschaft im Regenwald besucht habe, erzählte uns der Tourguide, wie sehr die Menschen dort unter dem Rückgang des Tourismus leiden. Vor der Corona-Pandemie konnten sie durch die Einnahmen aus dem Tourismus eine eigene Schule in ihrem Gebiet errichten. Dadurch mussten die Kinder nicht mehr stundenlang in eine entfernte Schule reisen.
Heute ist diese Schule leider wieder geschlossen, wegen fehlender finanzieller Mittel. Die Kinder müssen nun erneut lange Schulwege auf sich nehmen und erhalten dort oft kein Mittagessen. Außerdem wird in der nächstgelegenen größeren Stadt ihre eigene Sprache Quechua nicht unterrichtet, was die Weitergabe ihres kulturellen Erbes erheblich erschwert, insbesondere für kommende Generationen.
Auch in Städten wie Quito, Cuenca oder Baños sind Hotels, Reiseagenturen, Restaurants und Kunsthandwerksmärkte auf ausländische Gäste angewiesen. Der Rückgang der Besucher*innenzahlen bedeutet finanzielle Einbußen, Arbeitsplatzverluste und fehlende Perspektiven, vor allem für junge Menschen.
Persönliche Erfahrungen
Zum ersten Mal habe ich die Auswirkungen des fehlenden Tourismus deutlich gespürt, als ich mit Marlene eine Wandertour in Otavalo zu einem Wasserfall gemacht habe. Am Ziel angekommen, sahen wir ein großes Areal mit kleinen Läden und Restaurants, doch rund 80 % davon waren geschlossen. Außer uns waren kaum Besucher*innen vor Ort.
Besonders überrascht hat mich eine Unterhaltung mit anderen Backpacker*innen in Peru. Viele erzählten, dass sie Ecuador auf ihrer Südamerikareise auslassen würden, weil es als zu gefährlich gelte. Stattdessen reisen sie direkt von Peru nach Kolumbien oder umgekehrt. Diese Gespräche haben mir einmal mehr gezeigt, wie stark die touristische Wahrnehmung Ecuadors unter negativen Medienberichten leidet.
Inzwischen habe ich selbst viele Orte in Ecuador bereist und zahlreiche Reisende getroffen vor allem andere Backpacker*innen. Die meisten von ihnen hatten im Vorfeld Bedenken wegen der Sicherheit. Viele hatten von anderen gehört, dass es keine gute Idee sei, Ecuador zu besuchen. Diese Einschätzungen basierten in der Regel auf Medienberichten, die ein sehr einseitiges Bild zeichnen.
Doch alle, mit denen ich gesprochen habe, waren froh, letztlich doch gekommen zu sein, wegen der außergewöhnlichen Naturvielfalt auf vergleichsweise kleinem Raum. Viele empfanden das Reisen im Land als sicher.
Auch ich kann das bestätigen: Ich fühle mich sicher. Natürlich habe ich auch schon von Fällen gehört, in denen Mitmenschen ausgeraubt wurden, aber solche Dinge können überall auf der Welt passieren. Besonders in touristischen Regionen ist die Sicherheitslage insgesamt gut.
Ich wünsche mir, dass Ecuador als Reiseziel wieder sichtbarer wird, nicht als exotisches Abenteuer, sondern als Land mit einer stolzen, vielfältigen Bevölkerung und einer reichen Geschichte. Tourismus sollte kein kurzfristiges Geschäft sein, sondern eine respektvolle Begegnung auf Augenhöhe.