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Halbzeit

Vor ein paar Tagen war der Tag, an dem wir genau so viele Tage hier waren, wie wir noch hier sein werden. Ich bin sehr geschockt darüber, wie schnell die Zeit vergeht. Eigentlich haben sich 12 Monate im Voraus wie eine sehr lange Zeit angehört, aber jetzt sitze ich hier und kann ich es gar nicht fassen, dass die Halbzeit schon um ist. Es ist ein komisches Gefühl an das vergangene halbe Jahr zurückzudenken und daran zu denken, was sich alles in dieser Zeit verändert hat. Und es ist ein noch komischeres Gefühl daran zu denken, wie schnell auch das nächste halbe Jahr umgehen wird und wie sehr sich danach alles verändern wird.

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht was genau ich in diesen Bericht schreiben will. Irgendwie ist seit meinem letzten Bericht nichts passiert, aber irgendwie auch so viel. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben.

Na ja, erstmal war ja die Weihnachtszeit. Es war ein sehr schönes, aber auch ein sehr anderes Weihnachten als wie ich gewohnt bin. Ich habe die Zeit mit den Kindern und mit meinen Mitbewohnerinnen verbracht. Und darum geht es ja eigentlich auch an Weihnachten: Die Zeit mit den Menschen zu verbringen, die dir wichtig sind. Die Kinder hatten im Dezember sehr viele Aktivitäten, bei denen wir sie begleitet haben. Das fand ich teilweise auch ein bisschen anstrengend, aber trotzdem war es schön zu sehen, wie sehr sich die Kinder über die Überraschungen gefreut haben. An den Adventstagen haben meine Mitbewohnerinnen und ich zusammen gebacken und haben uns sogar einen improvisierten Adventskranz gebastelt.

An Heiligabend haben wir bis circa 13 Uhr gearbeitet und danach erstmal mit unseren Familien telefoniert. Ich war ein bisschen traurig, den Tag nicht wie gewohnt verbringen zu können. Gleichzeitig habe ich mich aber auch auf den Abend mit meinen Mitbewohnerinnen gefreut. Schließlich gehört Veränderung nun mal dazu und ist auch gut. Nach unseren Telefonaten haben wir angefangen, alle zusammen unser Weihnachtsessen zu kochen. Das war das erste Mal, das ich anstatt mit meiner Oma oder meiner Mutter das Weihnachtsessen vorbereitet habe. Trotz kleinerer Kochkrisen zwischendurch, hatten wir am Ende ein sehr leckeres und auch typisch deutsches Weihnachtsessen mit vegetarischen Kohlrouladen, Spätzle, Bratensoße und sogar Rotkohl auftischen können. Zwischendurch sind Lilli und ich noch kurz zu unserem Casa de Familia Yuyucocha gefahren, um den Kindern frohe Weihnachten zu wünschen und eine kleine Überraschung vorbeizubringen. Auch wenn wir nur für eine Weile da waren, fanden wir den Besuch beide sehr sehr schön und sehr rührend. Nach unserem gemeinsamen Abendessen und einer kleinen Bescherung unter uns, sind wir abends noch in die Kirche gegangen, weil wir einen ecuadorianischen Gottesdienst miterleben wollten. Es war sehr interessante Erfahrung mitzuerleben, wie die Ecuadorianer den Abend in der Kirche verbringen.

Kurz nach Weihnachten sind wir fünf zusammen nach Kolumbien gereist, um dort in das neue Jahr zu starten. Wir waren zuerst für einige Tage in Medellín, um uns dort die Stadt anzugucken. Silvester haben wir dann bei karibischen Temperaturen in Cartagena verbracht. Trotz einiger Schwierigkeiten, wie zum Beispiel, dass wir nicht eingeplant hatten, dass Reisebusse nicht am 01.01. fahren oder dass unser Flug um ein Tag vorgeschoben wurde, fand ich die Reise wirklich wunderschön. Ich hätte auch niemals gedacht, dass ich irgendwann mal Silvester in Kolumbien in der Karibik verbringen werde und bin so dankbar, dieses Privileg haben zu dürfen.

Sonst würde ich sagen, ist mein Leben hier einfach viel routinierter geworden. Ich fühle mich angekommen. Die Zeit hier fühlt sich auf der einen Seite so viel kürzer an als sechs Monate; auf der anderen Seite fühle ich mich aber so, als ob ich hier schon viel länger leben würde. Obwohl ich am Anfang dachte, dass ich wohl niemals einen Orientierungssinn für diese Stadt entwickeln werde, sind mir die Straßen Ibarras mittlerweile so vertraut. Und auch mein Alltag fühlt sich so an, als würde ich ihn schon viel länger so leben.

Ich habe beispielsweise das Salsa-Tanzen sehr für mich entdeckten gehe deswegen zweimal die Woche zu meinem Salsa-Kurs in den „Gong“. Ich bin froh, dass ich ein Hobby gefunden habe, dass mir so viel Spaß macht.

Ein sehr wichtiger Part meines Alltags ist das Zusammenleben in der WG. Ich bin sehr dankbar dafür, wie wir zusammenleben. Vor ein paar Wochen habe ich darüber nachgedacht, was für mich eigentlich im Moment „Zuhause“ bedeutet. Sehr überraschend für mich ist, dass ich nicht an Deutschland gedacht habe, sondern das Erste was mir in den Kopf gekommen ist Ibarra und meine Mitbewohnerinnen waren. Irgendwie ist es komisch, sie die ganze Zeit als Mitbewohnerinnen zu bezeichnen, weil sie so viel mehr als das sind. Sie sind wie eine Familie für mich und es ist kaum zu glauben, dass diese vier Mädchen mir vor einem halben Jahr noch fremd waren. Jetzt kochen wir jeden Abend gemeinsam, erzählen uns immer von unserem Tag, verbringen den Abend gemütlich zusammen und erleben so viel gemeinsam. Natürlich sind wir auch mal voneinander genervt - das bin ich von meiner Familie ja auch - aber ich weiß, dass ich mich immer auf sie verlassen kann. Ich bin sehr froh, dass ich meine Erlebnisse und Gedanken zu meinem Leben hier in Ecuador mit ihnen teilen kann und weiß, dass sie es so verstehen, wie es wahrscheinlich niemand anders versteht.

Auf der Arbeit hat sich bei mir eine bestimmte Routine eingeschlichen. Es fühlt sich jetzt selbstverständlich an, in der Frühschicht um 6 Uhr im Halbdunkeln und etwas verschlafen zur Arbeit zu radeln. Oder die Kinder jeden Tag von der Schule abzuholen und mit ihnen danach zusammen Mittag zu essen und Hausaufgaben zu machen. Trotzdem ich mich angekommen im Casa de Familia fühle, treffe ich des Öfteren auf Herausforderungen, die auch manchmal sehr überfordernd für mich sind. Aufgrund der traurigen Vorgeschichten der Kinder, die sehr oft von Gewalt geprägt sind, sehen auch unsere Kinder oft Gewalt als einzige Lösung sich auszudrücken. Das hat bei mir schon öfters bei mir für verzweifelte Situationen gesorgt, weil ich oft nicht weiß, wie ich in diesen Situationen reagieren soll. Solche Situationen treten häufig auf dem Weg zur Schule und auf dem Weg nach Hause von der Schule auf und enden meistens damit, dass das Kind um sich schlägt. Leider habe ich noch nicht herausgefunden, was die beste Lösungsmöglichkeit in dieser Situation ist, weshalb es manchmal ziemlich viel auf einmal ist und ich dann auch ein paar Momente brauche, um mich wieder zu sammeln.

Trotz dieser schwierigen Situationen habe ich meine Kinder in den letzten Monaten sehr ins Herz geschlossen. Ich genieße es Zeit mit ihnen zu verbringen, auch wenn ich abends auch manchmal nur todmüde ins Bett falle. Es ist auch sehr schön mitzuerleben wie sie groß werden und ich bin dankbar, die Kinder einen kleinen Teil ihrer Kindheit begleiten zu dürfen. Manchmal gucke ich mir Fotos vom Anfang meiner Zeit mit den Kindern an und muss immer wieder mit erschrecken feststellen wie groß sie doch in dieser kurzen Zeit geworden sind und ich will gar nicht darüber nachdenken, dass ich mich in so wenigen Monaten von ihnen verabschieden muss.

Ich bin auf jeden Fall gespannt, was mich noch in dem nächsten halben Jahr erwarten wird. Es wird wahrscheinlich nicht immer einfach - das gehört schätze ich einfach dazu - aber trotzdem freue ich mich jetzt schon auf alle neuen Erfahrungen, die ich sammeln und Dinge, die ich lernen werde.

Eins kann ich mit Gewissheit sagen: Ich bin sehr dankbar hier sein zu dürfen und für die Momente, die ich bis jetzt schon erleben durfte. Auch wenn manche Situationen manchmal schwierig oder überfordernd sein können, denke ich immer daran, dass genau diese Situationen den Freiwilligendienst zu das machen, was er ist, nämlich ein Lerndienst.

 

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