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Abschied

Jetzt ist es also so weit. Selten habe ich mich in meinem Leben so unsicher und zwiegespalten, wie jetzt gerade in diesen letzten Tagen in Ecuador, gefühlt. Selbst wahrhaben und begreifen, dass dieses wundervolle Jahr vorbei gehen kann, will ich noch gar nicht; aber so ist es nun mal. Das Kapitel geht vorbei und ein neues öffnet sich.

In den letzten Nächten, die ich hier in Quito verbracht habe, konnte ich oft nicht schlafen. Ich war so aufgeregt, endlich wieder Familie und Freunde wiederzusehen. Gleichzeitig bin ich unfassbar traurig, die Menschen, die ich in einem Jahr lieben gelernt habe, zu verlassen.

Nichtsdestotrotz bin ich mittlerweile auch schon so lange Zeit nicht zuhause gewesen, sodass mein Heimweh und die Aufregung über die Rückkehr, die Trauer überwiegen.

Die Sprache fällt mir zurzeit aber auch nicht unbedingt leicht. Alleine diesen Text auf Deutsch zu schreiben, ist sehr schwierig, während man zwei, drei Mal in der Woche auf spanisch träumt und manchmal auf Spanisch denkt. In Deutschland wird das hoffentlich besser.

Der Abschied auf der Arbeit fiel mir ausgesprochen leicht; aber das lag auch daran, dass ich es nicht wirklich geschafft habe, mich mit meiner Trauer auseinander zu setzen.

Trotzdem war der Abschied auf der Arbeit sehr schön, da die Therapeuten mit den Kindern und den tias (Erzieherinnen) ein paar Tänze aufgeführt haben.

Wir haben dann noch mit den Kindern getanzt und Spiele gespielt und J. hat sehr geweint; da kamen auch mir etwas die Tränen. So richtig realisieren konnte ich es in dem Moment auch gar nicht. Das kam erst, als ich im Bus nach Hause saß, und wusste, dass sei das letzte Mal nach Hause zu fahren, nachdem ich ein Jahr lang jeden Tag diese Strecke gefahren bin.

Ein letztes Mal die atemberaubende Aussicht meines Arbeitsweges genießen.

Dieses Mal war es aber echt surreal, da Quito an dem Tag wolkenfrei war und ich zwei schneebedeckte Berge sehen konnte. Der Cotopaxi und der Cayambe streckten ihre Wipfel in den Himmel über Quito. Wenn man so etwas vorher in seinem Leben nur aus dem Fernseher kannte, ist es in Natura zu sehen sehr schön und beeindruckend. Solch eine Landschaft kann man aber kaum in Worte fassen; daher jetzt zu einem anderen Thema.

Vor der deutschen Art habe ich etwas Angst, da ich mich ja hier schon voll an die Menschen gewöhnt habe. Einerseits die freundliche Stimmung auf der Straße, andererseits die Musik, die überall läuft. Ich bin zwar kein großer Fan von Reggaeton, aber dass in den Bussen Musik läuft, finde ich trotzdem nicht schlecht. Auch, dass jeder zweite Laden ob Apotheke oder Schuster, eine Musikbox vor dem Laden stehen hat und die Straße beschallt, finde ich witzig. Das wird mir fehlen, glaube ich. Dass in den Bussen und auf der Straße alles Mögliche verkauft wird, ist ja in Deutschland auch nicht Gang und Gebe; aber ich habe mich hier schon voll daran gewöhnt. Einfach bei der Verkäuferin vor meiner Haustür für 1 $ ein Netz mit 10 kernlosen mega leckeren Mandarinen zu kaufen, wenn man von der Arbeit kommt oder rausgeht.

Wie ich ja schon gesagt habe, fürchte ich mich vor dem Kulturschock, wenn es dann nach Deutschland geht. Vor allem beim Zwischenseminar haben wir viel über das Zurückkommen nach Deutschland gesprochen und da ist mir die Angst erst richtig bewusst geworden.

Da ich mich selber so stark in diesem Jahr verändert habe, aber die Menschen und die Umgebung in Deutschland halt nicht, habe ich Angst, nicht wirklich reinzupassen in mein altes Leben. Hoffentlich hilft das Rückkehrerseminar dabei, den Übergang nach Deutschland gut zu meistern.

Glücklicherweise habe ich mir meinen Urlaub für die letzten Monate in Südamerika aufgehoben und bin zu Elli und Fabi, zwei Freiwillige, mit denen ich mich gut verstehe, nach Puyo in den Regenwald gefahren. Das war mein erstes Mal im Regenwald und es ist sehr schön dort. Vor allem wenn man ein Jahr lang in der trockenen Sierra gewohnt hat. Selbstverständlich ist die Sierra auch schon in den Bergen, aber Abwechslung ist auch nötig.

Danach habe ich mich mit den Beiden in Kolumbien getroffen. Dort bin ich mit dem Bus hingefahren, weil ich mir ein Flugticket sparen wollte und auch einfach die Erfahrung machen wollte. Das war sicherlich die schönste Reise, die ich im vergangenen Jahr gemacht habe, weil ich viele Dinge, die ich gelernt habe, anwenden konnte. Bevor ich nach Ecuador gegangen bin, war ich noch lange nicht so eigenständig und weitsichtig, wie ich es jetzt bin. Auch was Sauberkeit angeht, habe ich sehr viel durch die Arbeit und meine Mitbewohnerinnen lernen können. Von den Menschen und der Einstellung gefällt mir persönlich Kolumbien besser als Ecuador. Jedoch muss man sagen, Ecuador hat die schöneren Aussichten und das bessere Essen.

Die Busse in Kolumbien sind aber bequemer und größer als die ecuadorianischen. Das ist manchmal wirklich ein Krampf, dort im Bus 7 Stunden stehend oder auf dem Boden sitzend zu fahren, weil schon alle Sitze belegt sind. Am schlimmsten war eine Fahrt von Banios nach Quito, wo Rosa, Judith und ich ganz hinten im Bus auf dem Bett des Fahrers saßen; aber dort gab es keine Fenster und es war mega kalt. Was ich jetzt im Nachhinein schon bereue, ist, nicht öfter an der Küste gewesen zu sein. Die zwei Male, die ich dort war, war es nämlich wie im Paradies. Weißer Sandstrand, Palmen, lauwarmes Wasser und Ceviche auf Papptellern.

Jetzt, wo dieses Kapital zu Ende geht, frag ich mich immer öfter, was ich mit meinem Leben eigentlich anstellen möchte. Etwas sehr Wertvolles, was ich auf jeden Fall in diesem Jahr gelernt habe, ist, dass ich lieber etwas machen möchte, was mich glücklich macht, als bei der Berufswahl nur aufs Geld zu schauen. Im sozialen Bereich zu arbeiten, möchte ich jetzt erstmal auch nicht mehr. Einfach, weil es für mich sehr schwierig ist, die Probleme, mit denen man auf der Arbeit konfrontiert wird, nicht mit nach Hause zu nehmen. Dafür brauche ich noch mehr Lebenserfahrung. Kommt mit der Zeit.

Endlich ist‘s vorbei und leider schon viel zu früh.

 

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