Hinterm Horizont geht´s weiter
Ecuador. Ein kleines Land in Südamerika, dass am Äquator liegt und relativ gefährlich ist. Das ist das, was ich über Ecuador gewusst habe, bevor ich mich dazu entschieden habe, ein Jahr dort zu leben. Das mich dieses Jahr komplett verändern wird, wusste ich natürlich nicht.
Ich wusste, dass ich einen Freiwilligendienst machen will, aber ich hatte keine Ahnung, dass ich mich damit auf das schönste Abenteuer meines Lebens einlassen werde. Irgendwie wollte ich mich auch ein bisschen überraschen lassen und auf mein Schicksal vertrauen und ich würde sagen, dass ich jetzt dort bin, wo ich sein soll und das sich das wild reinstürzen absolut gelohnt hat. Wenn mich jemand gefragt hat, warum ich eigentlich einen Freiwilligendienst machen will, war meine Antwort immer:,, Eine neue Kultur kennenlernen, eine neue Sprache sprechen, selbstständig werden, Erfahrungen machen und einfach mal raus und weg von den Eltern“. Natürlich hat man damit recht, jedoch gibt es weitaus mehr als die ganzen Klischees, die man von jedem werdenden Freiwilligen zuhören bekommt.
Hinterm Horizont geht´s weiter und damit meine ich, den Horizont, den ich in Deutschland hatte. Wenn ich über mich nachdenke, wie ich früher war, habe ich das Gefühl, dass ich meine Augen verschlossen hatte, vor der wunderschönen und vielfältigen Welt in der wir leben. Es gab nur weiß oder schwarz, aber nein, es gibt noch viel mehr dazwischen. Nicht alles muss so sein, wie man daran gewöhnt ist. Was nicht passt, wird passend gemacht. Zum Beispiel war ich früher dankbar für alles was ich hatte, aber man lernt erstmal richtig dankbar zu sein, wenn es einem genommen wird. Stromausfall, kein Wasser, Waschmaschine funktioniert nicht, kein Wasser aus der Leitung, sodass man immer die schweren Kanister bestellen und hochtragen muss und die Wohnung ist dreckig, weil Mama nicht mehr für dich saubermacht. Aber Hey, wenn was fehlt oder einen stört, dann muss man damit klarkommen oder eine Lösung finden. Den Horizont erweitern bedeutet neue Sichtweisen kennenlernen, über den Tellerrand schauen und die Dinge anders sehen, aber richtig verstehen, kann man das nur, wenn man es selbst erlebt. Man erlebt es am besten, wenn man seine Komfortzone verlässt und dazu wird man hier auch teilweise gezwungen. Zum Beispiel dann, wenn man um 6.30 Uhr bei der Arbeit antanzen muss. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich habe mich daran gewöhnt und es ist nicht mehr hart, aber wenn ich daran denke, dass die Kinder mich gleich anlachen, weil sie sich so freuen mich zu sehen und meine Hand auf dem Schulweg halten wollen, habe ich wieder die Motivation. Generell muss ich auch sagen, dass die Kinder nicht nur Kinder sind auf die ich aufpassen muss, sondern ich könnte sie auch irgendwie als Freunde bezeichnen. Zwar kann ich ihnen nicht meine ganze Lebensgeschichte erzählen, aber sie freuen sich total auf Urlaubsfotos und darauf meine Mama zu sehen, wenn sie zufällig gerade anruft. Wir singen und tanzen zusammen, hören Musik während wir zur Fundacion laufen und nehmen sie gelegentlich auch mal mit zu uns nachhause.
Ich hätte auch nie gedacht, dass die Freiwilligen mit denen ich zusammenwohne, mir mal wirklich so ans Herz wachsen und wir richtige Freunde werden. Freunde, die dir bei deinen Problemen und Lebenskrisen weiterhelfen, dich auffangen, wenn es dir schlecht geht, mit dir jeden Quatsch machen, weil man sich denkt, dass man ja bald eh zurückgeht und keiner einen kennt, aber auch Freunde, zu denen man nachmittags einfach mal ins Zimmer kommen kann. Ein bisschen Angst habe ich allerdings davor, wie es mit meinen Freundschaften in Deutschland aussehen wird. Da ich mich sehr verändert habe, denke ich, dass ich mit vielen Leuten von früher einfach nicht mehr zusammenpassen werde, da man nicht mehr die gleichen Interessen hat. Wenn ich mit meinen Freunden telefoniere, kommt es mir so vor als ob sich einige Sachen geändert haben, aber die meisten tatsächlich gleichgeblieben sind. Alle sitzen noch in der selben Kneipe wie damals und posten Bilder von Orten, wo man selbst früher jeden Tag war. Es gibt einem ein komisches Gefühl, wenn man einsieht, dass man ganz anders ist als damals. Manchmal fühlt man sich sogar so, als ob man sich über die anderen stellt, weil man sich ja so doll entwickelt hat und nicht zuhause geblieben ist, aber manchmal, hat man auch Angst, dass man nicht mehr reinpasst, wenn man zurückkommt.
Zusammengefasst habe ich in diesen 9 Monaten mehr über das Leben gelernt, als in 12 Jahren Schule. Vielleicht drücke ich mich besser aus, wenn ich sage, ich habe nicht über das Leben gelernt, sondern das Leben erfasst. Vor allem, habe ich aber mich selbst kennengelernt. Meine Grenzen, meine Bedürfnisse, was ich in meinem Leben will, mit welchen Leuten ich befreundet sein will, was gut und schlecht für mich ist, was ich manchmal opfern muss, damit danach etwas Besseres kommt und was meine richtige Meinung ist, und nicht die, die mir von meinem Umfeld erzwungen wurde. Ich habe gelernt, dass es besser ist, du selbst zu sein, mit deinen Ansichten, als im Strom mit zuschwimmen, nur weil man Angst hat, anderen nicht zugefallen.