Hola juntos,
das ist einer der letzten Berichte, die ich über meine Zeit in Ecuador schreiben werde. Das fühlt sich für mich irgendwie ganz komisch an, aber wenn ich zurückdenke und auch in den Kalender schaue, schreiten wir mit großen Schritten schon dem Ende unseres Freiwilligendienstes entgegen. Auch jetzt merken wir schon, dass die Zeit kommt an denen wir uns verabschieden müssen, denn die ein oder andere Verabschiedung hatten wir schon. In der Schule mussten wir schon zwei Mitfreiwillige, die von einer anderen Organisation sind, verabschieden und dafür wurde fleißig gebastelt und ein Tanz gelernt. In dem Moment war ich sehr froh, dass ich nicht diejenige war, die die Kinder zum letzten Mal in den Arm genommen haben und da vorne stand und meine Abschiedsworte sagen musste. Danach kam ein Kind zu mir (Jessica) und meinte mit Tränen in den Augen "Die Judith geht zum Glück nicht, die kommt mit mir", da musste ich schon einmal kurz schlucken und will mir unseren Abschiedstag, vor allem von den Kindern aus dem Casa Hogar gar nicht vorstellen. Mir ist es schon etwas schwergefallen als ich das letzte Mal die Kinder im Casa ins Bett gebracht habe, weil wir dann wieder die Schicht gewechselt haben für die kommenden drei Monate. Die Kinder sind einem mittlerweile sehr ans Herz gewachsen und man kennt sie sehr gut. An dem Abend bin ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge nach Hause, weil es ein sehr befriedigendes Gefühl ist nach einem langen Arbeitstag alle Kinder im Bett liegen zu sehen und " buenoas noches, hasta manana" zum Abschied zu sagen, aber auf der anderen Seite auch froh, weil die Arbeit in der Schule nicht so körperlich anstrengend ist und man nicht bis 20 Uhr weg ist. Auch planen wir schon genau, was wir wann und an welchem Wochenende noch sehen wollen, oder wo wir nochmal hinreisen wollen, denn auch wenn es schon noch drei Monate sind, kann man die Wochenenden, an denen man wegfahren kann, schon bald an zwei Händen abzählen. Aber ich versuch, so gut wie es geht nicht zu viel an den Abschied und das Zurückkommen nach Deutschland zu denken, sondern im Hier und Jetzt zu leben und die restliche Zeit hier noch zu genießen.
Ich hab hier mal drei Dinge aufgeschrieben, die ich ganz bestimmt in Deutschland vermissen werde:
- Die Flexibilität des Reisens. Hier in Ecuador braucht man nichts vor zubuchen oder online zu reservieren, um ein Busticket zu bekommen. Das reicht auch einfach noch 5 Minuten bevor der Bus fährt (auch wenns eine 6 bis 11 stündige Busfahrt ist). Eine Situation, wo wir uns dachten „in Deutschland wäre das nie möglich gewesen“, war, als wir von Banos nach Hause fahren wollten, aber die Frau am Schalter gesagt hat, dass es keine freien Sitzplätze mehr gibt (stehen wär auch eine Möglichkeit, aber 4 Stunden wären sehr zäh geworden). Wir waren schon ziemlich knapp dran und zwei Minuten bevor der Bus fahren sollte, kam der Busfahrer höchstpersönlich und meinte "doch er hätte da noch Platz für uns drei gar kein Problem". Nicht nur wir haben uns fragend angeschaut, sondern auch die Frau am Schalter hatte ein großes Fragezeichen im Gesicht. Als der Busfahrer dann was von "Cama“ (=Bett) gesprochen hat wurde es noch abstruser für uns, aber wir dachten so schlimm kanns ja nicht werden und wir wollten auch nicht nochmal eine Stunde warten. Also sind wir dem Busfahrer durch den Bus bis nach ganz hinten gefolgt, wo er dann auf eine mit einem Vorhang verdeckte Minimatratze gezeigt hat, was glaube ich der Busfahrer als Bett benutzt bei langen Fahrten oder einem Mittagsschläfchen. Uns blieb nicht viel übrig, also haben wir uns zu dritt in die kleine Nische auf der Matratze so gut wie es eben auf der kleinen Matratze ging, gemütlich gemacht und sind die 4 Stunden nach Hause gefahren. Zum Glück musste der Bus keine Vollbremsung machen, sonst wär ich einmal quer durch den Flur geflogen, weil Sicherheitsgurte sind hier in Ecuador Nebensache und auf der Matratze sowieso.
- Offenheit der Ecuadorianer. Dafür habe ich zwei Beispiele: Ich bin mit meiner Mitbewohnerin auf einen Berg gewandert und der Weg ist oft entlang von kleinen Dörfern gegangen, wo es mehr Tiere als Einwohner gab und fast jeder sein eigenes Pferd vor der Haustür (wortwörtlich) stehen hat. Wir sind kaum ein paar Meter gelaufen dann wurden wir schon an gehupt oder die Jeeps wurden langsamer und haben gefragt, ob sie uns nicht ein Stück mitnehmen sollen. Mal waren es normale Familienautos, mal ein Jepp, der Karotten und den Hund auf der Ladefläche transportiert hat. Die Leute hier sind sehr zuvorkommend und sehr hilfsbereit, da muss man gar nicht sein Daumen ausstrecken.
Ein anderes Mal war ich allein unterwegs, auch wieder wandern, weil so langsam die Regenzeit aufhört und der Sommer kommt und dadurch das Wetter viel wärmer und sonniger wird. Ich bin wieder an einem Dorf irgendwo in den Tiefen der Anden vorbeigekommen und dann hat mich der nette Juan ein Stück begleitet. Neben dem typischen Smalltalk, was ich mache, wo ich herkomme und wie alt ich bin, hat mir Juan auch eingeladen seine Meerschweinchen zu zeigen, weil er eh gerade dorthin auf dem Weg war etwas zu reparieren. Das Angebot habe ich gerne angenommen und er hat mir in seinem kleinen Schuppen seine etwa 100 Cuycuys gezeigt. Als ich erzählt habe, dass Meerschweinchen in Deutschland Haustiere sind, musste er lachen, weil er von der Mast von den Tieren lebt und sie besonders "rico“ (=lecker) sind. Probiert habe ich sie tatsächlich auch schon mal, aber ich finde man hat wirklich nichts verpasst, wenn man sie nicht isst. Ich mag sie lebendig viel lieber.
- Die Anden. Ich hab letztens zu Joshua gesagt: "Ich glaube, ich hätte viel mehr Heimweh, wenn keine Berge um mich herum wären. Und die, die allein schon von unserer Dachterrasse aus zu sehen sind, sind fast schon beeindruckender als die im Schwarzwald. Die letzten Wochenenden hab ich wandernd verbracht und konnte mich nie sattsehen von dem Ausblick, der mir geboten wurde. Das grüne Gras, der blaue Himmel, die lilafarbenen Lupinenfelder, die in der Ferne blauwirkenden Berge und mein Highlight immer: wenn man zwischen den Wolken eine schneebedeckte Bergspitze durchblitzen sieht. Da kann ich meistens meinen Blick nicht von abwenden, weil die Wolken gefühlt sekündlich ihre Position wechseln und man ja nicht verpassen will, wenn man die ganze Schneespitze sehen kann. Ich find die Anden einfach sehr beeindruckend und imposant und werde mit Sicherheit den Anblick von unserer Dachterrasse, wenn alles in rötliches Licht getaucht ist, so langsam alle Lichter der Stadt angehen und man (wenn man Glück hat) den Cotopaxi in der Ferne sehen kann, vermissen.
Zum Abschluss will ich noch von einer (für manche Ecuadorianer alltägliche und eigentlich eine ziemlich banale) Erfahrung erzählen, wo ich sehr überrascht von Ecuador war. Und zwar war das meine erste Metrofahrt. Erst seit Dezember fährt die Metrolinie vom Süden von Quito in den Norden, aber für mich hat sich erst letztens die Möglichkeit ergeben. Und ich kann nur sagen: Ich bin begeistert! Ich hab noch nie eine so saubere Metrostation gesehen! Alles war blitze blank und man hätte sich gar nicht getraut sein Müll einfach achtlos fallen zu lassen. Im Gegensatz dazu können sich die deutschen Metrolinien in Deutschland mal eine Scheibe von abschneiden. Irgendwie hat es dort unten auch wie in einem Paralleluniversum gewirkt und das Bild hat gar nicht zum Rest von Ecuador gepasst, weil alles sehr modern, organisiert und "clean" aussah. Und das Beste ist, um von uns (Norden) bis in den Süden, braucht man nicht mehr anderthalb Stunden mit dem Bus runter zu tuckern, sondern fährt in flotten 35 Minuten mit der Metro in den Süden. Zusätzlich hat man kein Großstadtstau, keine Ampeln und ständige Stopps an jeder Straßenecke. Ich denke man merkt, es wird nicht meine letzte Metrofahrt gewesen sein.
Bis bald und muchos saludos aus Ecuador