Hola juntos (= hallo zusammen),
Es ist Halbzeit angesagt. Irgendwie fühlt es sich auf der einen Seite sehr lange an, wenn ich daran zurückdenke, als wir unseren 1. Arbeitstag hatten. Aber auf der anderen Seite verging die Zeit doch recht schnell und jetzt sind wir hier in Ecuador schon seit einem halben Jahr.
In diesem Bericht würde ich gerne mehr über einige Feste und ihre Traditionen berichten, die wir hier bisher erlebt haben.
Dieses Jahr war die Weihnachtszeit sehr besonders, weil sie anders war, als ich sie die letzten 18 Jahre erlebt habe. Trotzdem war es auch mal interessant zu erleben, wie in einem anderen Land, auf einem anderen Kontinent gefeiert wird. Schon der Dezember und somit die Adventszeit hat hier in Quito besonders gestartet: nämlich mit den sogenannten Fiestas de Quito (Quitofeste).
Jedes Jahr Anfang Dezember gibt es in Quito diese Festivitäten, an denen die Gründung von Quito (dieses Jahr 484 Jahre) gefeiert wird. Die Feste beginnen am 6. Dezember und es gibt jedes Jahr sogar ein Programmheft, wo alle Veranstaltungen aufgelistet werden. Die Straßen sind fast jeden Tag voller Menschen, denn auf den großen Plätzen gibt es unzählige Partys, Konzerte, aber auch Paraden und Umzüge mit Musik. Wir waren auf einer der großen Paraden, wo wir auf gemieteten Plastikstühlen am Straßenrand saßen und den zweieinhalb Stunden langen Umzug angeschaut haben. Ich glaube die Leute, die die Stühle verkauft haben, haben das Geschäft ihres Lebens gemacht, weil nur die erfahrenen Leute auf die Idee kamen, ihre eigenen Stühle mitzubringen. Als erstes sind die ganzen Polizeiabteilungen vorbeigelaufen oder mit ihren Motorrädern vorbei gefahren. Die Polizei für den Verkehr hat Kunststücke auf ihren Motorrädern präsentiert, andere haben mit den Spürhunden kleine Tricks gemacht oder sie haben Selfies mit den Ecuadorianern gemacht (Das ist übrigens typisch Ecuador: immer und überall Selfies zu machen, die man dann in den Status postet oder auf Tiktok hochlädt. Auch Erwachsene sind auf Tiktok sehr aktiv!). Ganz viele Schulen und Bands sind ebenfalls mitgelaufen und haben getanzt, Musik gemacht oder ihren geschmückten Wagen präsentiert. Außerdem ist das Kartenspiel namens Cuarenta (40) sehr typisch für die Fiestas de Quito, dessen Spielregeln uns eine Arbeitskollegin erklären wollte. Aber das Kartenspiel ist ganz schön kompliziert, schnell und man muss sehr aufmerksam sein (deswegen ist sie eher daran gescheitert, es uns zu erklären). Auch sogenannte Chifas, offene Partybusse mit bunten Lichtern, lauter Musik und vieeel Canelazo (ein alkoholisches Getränk, was Glühwein sehr ähnelt), die durch die Straßen von Quito fahren, sind typisch. Anfang Dezember ist hier in Quito also mehr Partystimmung als Adventsstimmung.
Traditionell wird hier in Ecuador und in anderen südamerikanischen Ländern die Novena (auf deutsch: Novene der Weihnachtsgaben) zelebriert. Das ist ein katholischer Brauch, bei dem an den neun Tagen vor Heiligabend täglich gebetet wird. Die Zahl Neun bezieht sich auf die neun Monate vor der Geburt Jesu. Ecuador ist ein sehr katholisches Land und deshalb machen das fast alle Menschen. In der Schule gab es an den Tagen eine Art Theaterspiel, wo die Bibelgeschichte dramatisiert wurde. Die Kinder wurden dann dementsprechend verkleidet und es wurde der passende Text aus der Bibel vorgelesen. Am letzten Schultag haben wir Freiwilligen beim Krippenspiel mitgespielt (wir durften die drei Könige spielen).
Hier in Ecuador ist der signifikantere Weihnachtstag nicht der 24., sondern der 25. Dezember. Zwar wird an Heiligabend bis spät abends zusammengesessen und gegessen bis Null Uhr (erst dann werden die Geschenke ausgepackt), aber erst am nächsten Tag ist zum Beispiel der traditionelle Festtags-Gottesdienst. Typischerweise gibt es ein Schwein (meistens wirklich ein ganzes, weil die Familien so groß sind und alle an Weihnachten zusammenkommen) oder aber Pavo, also Truthahn (der Trend aus Amerika ist auch hier rüber geschwappt). Der Truthahn wird Tage zuvor präpariert und vorbereitet. Ich habe auch ganz viele Autos gesehen, die Plastikgeschirr auf dem Dach transportiert haben, da somit bei großen Familien weniger Geschirr gespült werden muss. Generell ist Plastikgeschirr und Besteck hier gang und gäbe.
Den Heiligabend durften wir als WG gemeinsam im Pfarrhaus der deutschen evangelischen Gemeinde verbringen. Um 16 Uhr sind wir in den deutschen Familiengottesdienst gegangen. So richtig in Weihnachtsstimmung kam ich trotzdem nicht so wirklich. Der Weihrauchgeruch bei uns in der Kirche hat mir schon sehr gefehlt und generell die festliche Stimmung im Gottesdienst, aber es war trotzdem schön und einfach mal was anderes. Danach haben wir unser selbstvorbereitetes Dreigängemenü genossen und den Abend als Spieleabend ausklingen lassen. Weihnachten war zwar sehr schön und ich habe den gemeinsamen Abend in guter Erinnerung behalten, aber irgendwie hat es sich einfach nicht wie Weinachten angefühlt, was nicht schlimm war, denn es war einfach ein etwas anderes Weihnachten.
Das nächste größere Fest hat nicht lange auf sich warten lassen, denn Mitte Februar stand Karneval vor der Türe. Wir drei Mädels aus der Quito WG haben uns dazu entschlossen, Karneval in Cuenca zu verbringen. Dort wollten wir schon länger hin und wir hatten den Montag und Dienstag frei, weil das hier Feiertage sind. Als wir angekommen waren, sind wir erst einmal einen Karnevalsumzug anschauen gegangen. Auf dem Weg zu der Hauptstraße kamen uns schon unzählige nasse und
mit Schaum besprühte Menschen entgegen. Zumindest in Süddeutschland gibt es Konfetti, Stroh und Süßigkeiten und in Ecuador Carioca, Wasser und noch mehr Carioca. Carioca ist Sprühschaum aus der Dose und riecht sehr süß. Der Vorteil von Schaum: er kratzt nicht so wie Konfetti und er zieht schnell ein in die Kleidung. Anders als in Deutschland wie ich es an Fasnacht kenne, wo die Zünfte einen mit Konfetti und Süßigkeiten beschmeißen, ist in Ecuador der Spieß umgedreht. Hier werden die Leute, die beim Umzug mitlaufen, vollgesaut mit Wasser, Schaum und Farbe. Freiwillig würde ich glaube ich nicht in Ecuador bei so einem Umzug mitlaufen. Teilweise hatten die Leute sehr einfallsreiche Ideen, um sich vor dem Schaum zu schützen. Von Regenschirmen, großen Hüten, Regencapes bis hin zu Gummistiefeln, Masken und Schwimmbrillen war alles dabei. Und wer nicht so klug war und den Schaum in den Augen satthatte, konnte sich eine Chemiebrille kaufen, die es überall zu kaufen gab. Ich dachte noch am Anfang, dass es uns nicht so schlimm treffen würde wie die Menschen, die uns entgegengekommen sind, aber da habe ich wohl falsch gedacht, weil im Laufe des Umzugs wurden wir von allen Seiten ebenfalls schaumig. Irgendwann haben wir uns entschieden die Schaumschlacht nicht bloß hinzunehmen, und haben uns selbst eine Dose Carioca gekauft, um uns wehren zu können. Bei dieser riesigen Schaumparty sind nicht nur Kinder Feuer und Flamme, sondern alle Leute, ob groß oder klein. Zu spüren bekommen haben wir das noch die nächsten 2 Tage, jedes Mal wenn wir in Cuenca irgendwo zu Fuß unterwegs waren, musste man auf der Hut sein, wenn jemand einem mit der Schaumflasche entgegen kam oder Autos mit offenen Fenster neben einem langsamer wurden. Was ganz fies war, waren Balkone und die offenen Touri-Busse, von wo aus man wunderbar Wasserbomben nach unten schmeißen konnte. Ein anderer Unterschied zum deutschen Karneval war, dass hauptsächlich die Leute, die beim Umzug mitgelaufen sind, verkleidet waren. Kaum ein Zuschauer war irgendwie verkleidet oder hatte ein Kostüm an, wie das in Deutschland so typisch ist.
Das nächste größere Fest, Ostern, steht schon fast vor der Tür und ich bin gespannt, wie die Semana Santa (heilige Woche) hier gefeiert wird.
Muchos saludos aus Ecuador
Judith