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Tag 85. Noch 287-mal in Quito aufwachen.

Immer wieder kommt der Gedanke, wie verrückt das Alles ist. Ich habe mein Abitur geschafft und sitze jetzt hier mehr als 10.000 Kilometer von zu Hause entfernt und lebe dieses neue Leben für ein Jahr. Das erste Mal soweit und solange weg von Familie und Freunden, meinem zu Hause. Nach fast drei Monaten hier in Ecuador habe ich das Gefühl mich so langsam einzuleben. Ich entwickle einen Alltag mit Routinen sowohl auf der Arbeit als auch in der WG.

Zu Beginn meiner Zeit hier ist mir die Arbeit im Casa Hogar oft schwergefallen. Dort leben körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen, zu denen ich während der letzten 12 Jahre Schule kaum Berührungspunkte hatte. Daher hatte ich auch nur eine ungenaue Vorstellung von dem, wie es dort sein wird zu arbeiten. Auch wenn das Vorbereitungsseminar Ende Juli in Potsdam, mir schon einen Einblick von der Arbeit hier in Ecuador gegeben hat, ist die reale Erfahrung dann doch nochmal ganz anders. Der Anfang war schwer: Wir kannten die Kinder und Tías (Mitarbeiterinnen im Casa Hogar) nicht und die Verständigung auf Spanisch war nicht immer leicht. Dennoch wurden wir herzlich empfangen und es ist so lieb wie sich alle um uns kümmern. Wir wurden in die Arbeit eingeführt und haben uns an den Rhythmus der Kinder angepasst. Es ist ein ganz anderes Lernen als in der Schule, in der es oft um Leistung geht und ein gewisser Druck vermittelt wird. Hier habe ich das Gefühl fürs Leben zu lernen. Es geht um zwischenmenschliche Bindungen. Man muss sensibel und offen sein, auf die Kinder und ihre Bedürfnisse eingehen. Geduld und Ruhe stehen dabei an oberster Stelle und das oft nicht einfach.

Der Tag im Casa Hogar mit meiner Mitfreiwilligen beginnt um 12 Uhr. Davor ist noch Zeit für ein kurzes Telefonat nach Hause für ein paar Lebensupdates oder einen Einkauf im nahegelegenen Supermarkt. Wenn wir im Casa ankommen, wird in der Küche bereits das Mittagessen gekocht und die Kinder werden für das Essen vorbereitet. Die Kinder, die den ganzen Tag im Casa verbringen und nicht zur Schule gehen, werden von ihren Matten gehoben und in ihre Rollstühle gesetzt. Nach einer kurzen Gesichtsmassage waschen wir dann gemeinsam Hände und gehen anschließend ins Esszimmer. Individuell nach Kind wird das Essen angepasst. Da die meisten Kinder auf das Anreichen von Essen angewiesen sind, besteht meine Aufgabe darin, sie zu unterstützen. Etwa um 13 Uhr kommen dann unsere beiden weiteren Mitfreiwilligen mit den Kindern aus der Fundación (das ist die Schule). Zu dieser Zeit ist der Speisesaal ziemlich voll. Es erfüllt mich jeden Tag zu sehen, wie sehr sich die Kinder über unsere Anwesenheit freuen. Wenn sie uns schon aus dem Bus zuwinken. Ich finde es faszinierend, wie sehr wir schon Teil ihres Lebens geworden sind. Nach dem Essen werden Zähne geputzt sowie Windeln und Kleidung gewechselt. Dann bleibt am Nachmittag Zeit, um rauszugehen und die Sonne zu genießen. Etwa um 16 Uhr gibt es einen kleinen Erfrischungssnack. Oft machen wir danach zusammen mit den Kindern die Wäsche, räumen sie in die Schränke ein und schauen uns noch ein Buch an. Kurz vor 18 Uhr geht es wieder in den Speisesaal zum Abendessen. Ähnlich wie beim Mittagessen, ist auch hier unsere Unterstützung gefordert. Nachdem alle fertig sind, werden die Kinder bettfertig gemacht: Zähne werden geputzt, es wird geduscht und der Pyjama angezogen. Damit geht mein Tag um 20 Uhr im Casa Hogar zu Ende. Diese kurze Beschreibung spiegelt natürlich nicht alle meine Erfahrungen und Erlebnisse wider. Die Arbeit ist sowohl körperlich als auch mental anstrengend. Oft tut mir am Abend der Rücken weh und immer wieder muss ich auch am Wochenende an die Arbeit denken. Dennoch sind es immer wieder die kleinen Momente, die so wundervoll sind.

Eine feste Umarmung, ein süßes Kinderlächeln oder der Erfolgsmoment, wenn das Lätzchen weniger vollgekleckert ist als beim letzten Mal. Gerade diese Momente haben die anstrengende Arbeit vor allem zu Beginn erleichtert. Ich weiß noch wie ich und meine Mitfreiwillige vollkommen müde abends nach Hause gekommen sind, es hat keine zwei Minuten gedauert, bis ich eingeschlafen bin. Diese Eingewöhnungszeit mit den vielen neuen Eindrücken war nicht leicht und hat mich an meine Grenzen gebracht. Umso schöner ist es jetzt zu sehen, wie sich nun ein neuer Alltag entwickelt und sich mit der Zeit alles einspielt.

Nicht nur auf der Arbeit, sondern auch in der WG leben wir uns ein. Erst war es ungewohnt mit drei weiteren Jugendlichen in einem völlig unbekannten Land zu leben. Den Haushalt vollkommen selbstständig zu regeln, Aufgaben aufzuteilen, sie in dieser riesigen Stadt zurecht zu finden. Ich bin sehr froh, dass wir uns alle vier trotz völlig unterschiedlicher Hintergründe ziemlich gut verstehen, auch wenn wir uns nicht immer einig sind, was völlig normal ist. Es tut gut Menschen um sich zu haben, die die gleichen Gedanken teilen, die auch meine Gefühle verstehen. Egal ob Heimweh oder Krankheit, ich weiß, dass da jemand ist, der sich kümmert, wenn es mir nicht gut geht und das ist so ein schönes Gefühl. Ich merke in Gesprächen, dass ich unsere WG schon „zu Hause“ nenne. Es ist wie ein zweites zu Hause, hier in Ecuador. Für ein Jahr. Es ist ganz besonders, welche Erlebnisse wir teilen und ich kann mir vorstellen, wie sehr diese uns auch nach diesem Jahr verbinden werden. Wir sind in Wasserfällen in Mindo geschwommen, waren im Nationalpark um den Cotopaxi zu sehen, sind über den Dächern der Stadt auf dem Pichincha (der Hausberg von Quito) auf Pferden geritten und haben andere Freiwillige aus ganz Deutschland kennengelernt. Es sind aber oft einfache Gespräche über die Arbeit oder der Austausch darüber, was wir nach dem Jahr machen werden, die uns verbinden und mir helfen. Auch haben wir erste Kontakte zu Ecuadorianern geknüpft, die uns die Kultur näherbringen. So haben wir Anfang November zu Allerseelen typischerweise Guagua de pan (Milchbrötchen in Form von Windelkindern) gebacken und Colada Morada (ein traditionelles Getränk bestehend aus vielen verschiedenen Früchten) getrunken.

Oft muss ich aber auch daran denken, wie es sein wird, wieder nach Hause zu kommen. Was hat sich verändert? Wie wird das Gefühl sein? Habe ich mich verändert? Was mache ich danach? Diese Fragen schwirren in meinem Kopf und machen mich wirklich gespannt. Und klar ich vermisse auch sehr mein zu Hause in Deutschland, dennoch merke ich, dass es eine gute Entscheidung war ein Freiwilligendienst zu machen. Was ich hier erlebe, und in diesem Jahr lerne, wird mich immer begleiten. Es ist schon jetzt ein Teil von mir. Bei meinem Abschied von Deutschland wusste ich, dass ich wieder kommen werde. In Quito für eine begrenzte Zeit lebe. Aber der Abschied hier aus Ecuador, wenn ich zurück nach Frankfurt fliege, wird erstmal für eine lange Zeit sein. Umso mehr genieße ich die Zeit hier, denn ich merke, wie sich neue Freundschaften entwickeln und neue Menschen mir wichtig werden. Auf jeden Fall ist es nicht immer leicht, aber jetzt nach drei Monaten kann ich stolz auf mich sein, diesen Schritt ins Unbekannte gewagt zu haben. Je länger ich nun hier bin, desto schneller vergeht auch die Zeit. Am Anfang waren die Gedanken an zu Hause noch viel präsenter, aber mit der Zeit legt sich dieses Kopfchaos.

So langsam neigt sich das Jahr zum Ende. Überall stehen jetzt schon Weihnachtsbäume. Ich freu mich auf die bevorstehende Weihnachtszeit und auch auf den Besuch meiner Mama Anfang des nächsten Jahres. Das gibt mir auch oft Halt.

Ich weiß noch genau wie ich mich vor etwa einem Jahr für einen Freiwilligendienst beworben habe. Ich habe mir genau so einen Bericht durchgelesen wie ich ihn heute schreibe. Dieser Gedanke ist so verrückt.

 

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