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Halbzeit

Die Zeit vergeht so schnell aber gleichzeitig auch so langsam. 6 Monate also schon die Hälfte meines Aufenthaltes hier sind jetzt schon vergangen. Wenn ich jetzt allein nur auf diese 6 Monate zurück blicke, habe ich so viel erlebt wie in einem ganzen „normalen“ Jahr. Erfahrungen, die mich viel Kraft und Nerven gekostet haben sowie Erfahrungen die ich immer wieder aufs neue erleben würde.

Ecuador besser kennenlernen

Innerhalb dieses halben Jahres konnte ich mir ein besseres Bild von Ecuador machen. Anfangs hatte ich andere Erwartungen oder manchmal auch keinerlei Erwartungen wie es sein wird.

Jetzt lebe ich aber schon ein Weilchen hier und habe die Art und Weise wie hier einiges funktioniert verstanden.

Ich musste - ob ich wollte oder nicht - mich anpassen damit ich nicht aus der Menge heraus tanze und noch wichtiger nicht auf Probleme stoße.

Aus diesem Grund musste ich jetzt meine „deutschen“ Angewohnheiten, Werte und Normen nach und nach ablegen bzw. ändern, was sehr schwer war und noch immer ist und was ich anfangs auch nicht wollte. Weit bin ich aber mit meiner alten Handlungs- und Denkweise nicht gekommen und deswegen traf ich immer wieder auf kleinere oder größere Konflikte im Alltag.

Beispielsweise als wir als WG mit dem Reisebus in eine andere Stadt gefahren sind und wir alle darauf vertraut haben, dass der Busfahrer unsere Station angekündigt, wie wir es aus Deutschland immer gewohnt waren. Aber nein. Stattdessen ist der Busfahrer ohne Kommentar an ihr vorbei gefahren. Glücklicherweise war gerade jemand von uns auf Google Maps und so ist es uns aufgefallen. Nach einem kleinen Streit mit dem Busfahrer, standen 4 Mädels auf einmal mitten im nirgendwo auf der Autobahn. Wenigstens ist die Geschichte noch gut ausgegangen.

Ein anderes mal bin ich Abends zurück von der Arbeit gekommen. In der Straße in der wir wohnen gibt es zwei Werkstätte mit jeweils 5 Hunden. Diese hatten mich bis her immer angebellt, aber da sie hinter dem Zaun waren war es auch nicht weiter beängstigend. Doch an diesem Abend stand ein mittelgroßer Hund vor dem Zaun. Erst dachte ich mir nicht wirklich was, da mir in Deutschland noch nie was passiert ist wenn es um Hunde geht. Kleiner Fakt: So ziemlich alle Hunde hier in Ecuador sind extrem aggressiv, egal ob Straßen- oder Haushunde. Als der Hund auf mich zu kam, hielt ich an mit meinem Fahrrad bis ich aber merkte, dass er keine guten Intentionen hatte. So fuhr ich so schnell wie ich konnte mit dem Fahrrad die Straße runter und der Hund am rennen und bellend hinter mir, bzw. neben mir. Dann hat er es irgendwann mal geschafft mich vom Fahrrad zu schmeißen. Bis auf einen kleinen Schock und paar Kratzer ging es mir gut. Der Hund hatte sich auch erschrocken und lief wieder zurück.

Solche Sachen passieren, weil hier alles anders ist, verschieden funktioniert und das meiste relativ unbekannte und neue Situationen für mich sind. Auch nach 6 Monaten hier in Ecuador fiel es mir schwer meine alten Angewohnheiten loszulassen. Das bedeutet für mich persönlich von Null anzufangen, als wäre ich ein kleines Baby, dass ohne bereits gemachte Erfahrungen in die Welt einsteigt. Deswegen ist es jetzt wichtig Situationen entgegen zu wirken und sich auf alles vorzubereiten.

Bedeutet zum Beispiel konkret in dem Reisebus-Vorfall, dass ich am Anfang hätte den Busfahrer fragen sollen, ob er auch wirklich einen normalen Halt an der Station macht und wenn nicht, ob er mir bitte Bescheid geben könnte wenn es anders wäre. Google Maps zu benutzen war auch eine gute Methode um dem allem vorzubeugen.

Lieber zu viel Vorsicht haben, als zu wenig. So lässt es sich auf jeden Fall einfacher und besser leben.

Ecuador überrascht mich immer wieder aufs neue, wenn es um die Vielfalt so wie die um die  verschiedenen Kulturen und Traditionen des  Landes geht.

In Deutschland kenne ich eigentlich nur so richtig gut drei Städte in denen ich mich immer wieder herumtreibe. So wirkliches intensives Reisen hat mich noch nie wirklich angesprochen.

Ein paar Städte dort sind ja ganz nett, aber ich bevorzuge lieber das Ausland. Etwas anderes und neues.

Ein halbes Jahr bin ich hier und schon kenne ich mehr von Ecuador als von Deutschland, wo ich schon mein ganzes Leben lang lebe.

Seit meinem letzten Bericht im November war ich noch ganz viele weitere Orte besuchen.

So war ich über Silvester bei der Familie meiner Cousine, die - laut Statistik - in der gefährlichsten Stadt Ecuadors lebt: Guayaquil. Hätte ich dort auch keine Familie, wäre ich auch nie dort hingegangen. Sie aber leben auf der etwas wohlhabenderen und etwas sicheren Seite in einer so genannten „Gated Community“, so wie alle anderen Guayaquileños dort.

Aufgrund der großen Gefahr in Guayaquil werden die Häuser auch nur im Auto verlassen und es wird unter keinen Umständen auf den Straßen herum gelaufen. Die Freiheit ist dort sehr limitiert. Man kann nicht mal eben zu dem nächsten Supermarkt laufen. Nein, stattdessen setzt man sich ins Auto, darf die Fenster bloß nicht runter machen wenn man auf der Straße fährt und begibt sich ins nächst gelegene große Einkaufszentrum in dem ein Sicherheitsbeamter erst mal kontrolliert, ob man nichts gefährliches  an sich trägt. An sich ist dies erst mal sehr beängstigend, aber wenn man sich an alle Regeln hält, gibt es nichts zu fürchten. Am 31.12. sind wir dann aber mal kurz auf die andere Seite gefahren. Viel gefährlicher und geprägt von starker Armut. Zu Silvester begeben sich aber wirklich alle Leute, auch welche, die nicht direkt in Guayaquil wohnen dort hin.

Grund dafür, ist folgender: In einer sehr langen Hauptstraße werden zu dieser Zeit „Monigotes“, Puppen die aus Pappe, Zeitungspapier oder Sägemehl hergestellt werden gezeigt. Eine absolute Vielfalt an super kleinen und gigantischen Kreationen gab es dort zu sehen, welche die Charaktere aus Serien und Filmen, Prominenten, Politiker und - vor allem - kritische gesehene ecuadorianische Politiker oder auch einfach den Coronavirus repräsentieren. Man konnte sie nicht nur bewundern und tolle Fotos mit ihnen machen, sondern diese auch kaufen. Die Tradition beginnt dann um Mitternacht, wenn die Puppen verbannt werden und das "alte Jahr" und somit allesamt schlechten Sachen mit verbrannt werden. So haben wir es auch gemacht. Neues Jahr mal ganz anders!

Genauso wie Silvester ganz anders gefeiert wird, ist Karneval hier auch nicht mit dem in Deutschland zu vergleichen. Über die Feiertage waren wir in Guaranda und Ambato, die zwei angeblich besten Städte um Karneval zu feiern. Das kann ich jetzt auch so unterschreiben. Wir haben uns einen größeren Umzug angeschaut. Ohne Kölner Karnevalsmusik und lustigen Verkleidungen, dafür aber mit traditioneller und lateinamerikanischer Musik sowie traditionellen Trachten.

Auch sehr neu für mich und die persönlich liebste Tradition überhaupt hier in Ecuador war, wie ich sie gerne nenne „der Schaum Krieg“. Überall auf den Straßen kann man Schaum in Sprühdosen in jeder Größe kaufen. Damit sprüht man dann andere an. Nach dem großen Umzug ist das erst harmlose Spiel dann eskaliert. An diesem Abend bin ich wahrscheinlich 10 mal erblindet und habe 5 Liter Schaum in den Mund bekommen, da ich von allen Seiten mit Schaum besprüht wurde.

Zum Schluss sah ich dann auch aus wie ein Riesen Marshmello. Eine Tradition, die es auch in Deutschland geben sollte. An anderen Ecken wurde einem Pulverfarbe ins Gesicht geklatscht.An anderen Ecken im mit Wasserbomben abgeworfen und im schlechtesten Fall hat man gleich den ganzen Eimer Wasser über den Kopf bekommen und an einem anderen Ort wurde man mit Eiern abgeworfen.  

Natürlich haben wir auch noch andere Reisen unternommen und da ist mir nochmal aufgefallen wie praktisch Ecuador eigentlich ist. Wenn ich zu Hause bin, gehe ich nicht so oft auswärts essen. Aber wenn ich im Urlaub bin, dann hauptsächlich. Egal wo man hin geht, überall gibt es Essen. Also verhungern wird man nicht, erst recht weil alles so günstig ist für deutsche Verhältnisse. Ein großer Spieß mit Gemüse, Kochbananen und Fleisch für nur 1,25$ gibt es zum Beispiel auf der Straße zu kaufen. Eigentlich wird insbesondere Straßenessen sehr kritisch gesehen und ich sollte das ganz besonders wissen, da ich in den ersten Monaten sehr oft aufgrund des Essens hier krank geworden bin. Endlich ist mein Magen aber an das Essen gewohnt und ich kann ohne Sorge fast alles essen. Aber trotzdem muss man immer acht geben.

Über sich hinaus wachsen 

Auf der Arbeit habe ich mich immer besonders auf die Kinder gefreut. Wenn ich Frühschicht hatte, waren hauptsächlich das Baby und ein Kleinkind im Alter von 2 Jahren dort. Für mich persönlich mein liebstes Alter um mit Kindern zu arbeiten. Wie eine Mutter habe ich mich gefühlt. Mit dem Baby zu spielen, es zu wickeln und umzuziehen, ihm die Flasche zu geben und schließlich ihn zum Schlafen legen war schon Routine. Zwischendurch dem Kleinkind mal das Frühstück zu servieren und es dann umzuziehen waren auch Teil der Routine. Auch war morgens eine 15-jährige da, die erst spät Schule hatte und deswegen den ganzen Morgen mit uns verbrachte. Mit ihr habe ich öfters Hausaufgaben gemacht. Würde man aber diese ganzen Stunden zusammenrechnen, die ich für die genannte Arbeit gebraucht habe, dann würde man auf max. 2 Stunden kommen.

Den Rest der Zeit muss man der Hausarbeit widmen, eine Arbeit die eigentlich niemand gerne macht, die aber dazu gehört. Jedoch empfand ich das dieser Teil vor allem während der Frühschicht sehr intensiv und hauptsächlich war, so dass die ganzen anderen Aufgaben, sich nur wie eine nebensächliche Arbeit anfühlten. Wenn ich Spätschicht hatte gab es dennoch mehr Möglichkeiten um mit den Kindern direkt zu interagieren. Ob es kurze Spielchen oder gemeinsames Kochen waren. Manchmal gab es auch die Möglichkeit dazu ins Schwimmbad zu gehen oder im Park zu spielen, aber eher sehr selten. Aufgrund der Hausaufgaben und der ganzen Aktivitäten, wie die Besuche mit der Familie, die die Kinder haben, gab es oft doch nicht so viel Zeit für diese Dinge. 

So hatte ich immer wieder das Empfinden, dass wir hauptsächlich hier sind um die Kinder zu mobilisieren und im Haushalt mitzuhelfen und die eher direkte Interaktion mit den Kindern sekundär ist. Leider nicht das was ich mir erwartet und erhofft habe.

Doch mein eigentliches Problem war nicht die Arbeit, sondern die Arbeitsatmosphäre die im Haus herrschte! Öfters hatten wir das Gefühl, dass unsere Arbeit nicht wertgeschätzt wurde, obwohl man hier freiwillig ohne richtigen Lohn, 8 Stunden lang am Tag arbeitet. Das macht einen sehr traurig, da man sich Tag für Tag bemüht eine gute Arbeit zu leisten.

Generell empfand ich die Beziehungen, die ich zu den Educadoras hatte als eine sehr unpersönliche und distanzierte (nicht alle, aber der Großteil).

Vor allem wenn man sah wie sich die anderen Freiwilligen aus den anderen Häusern mit ihren Educadoras verstanden haben. Es ist natürlich nicht selbstverständlich, dass man so eine gute Beziehung mit ihnen hat und ich hab auch nie erwartet, dass sie meine Freundinnen werden, aber ein bestimmtes Maß an einer Herzlichkeit hätte sich doch jeder gewünscht und das hätte einer guten Arbeitsatmosphäre auf jeden Fall beigetragen.

Generell habe ich mich sehr unwohl in diesem Haus gefühlt und viele verschiedene Vorfälle mit den Educadoras in den letzten Monaten haben dazu geführt, dass ich immer weniger Motivation hatte und vor allem auch einfach mental verbrannt war. Bei den monatlichen Gesprächen mit unserer Chefin Claudia berichtete ich ihr auch immer davon. Mich direkt an die Educadoras zu wenden fiel mir sehr schwer, weswegen Claudia es machte. Ein paar Probleme haben sich verbessert, dafür sind Neue dazu gekommen. Ich habe nach einem halben Jahr einfach keine Verbesserung und Hoffnung mehr gesehen. Leider habe ich mich zu spät an meine Organisation gewendet, was ich auf jeden Fall hätte tun sollen. Ich hatte mich halt immer nur bei „Kleinigkeiten“ an Claudia gewendet, aber diese habe ich einige Monate lang immer wieder verdrängt, da es manchmal einfach so schöne Momente mit den Kindern gab, die mich fühlen haben lassen, dass alles wieder gut werde. An irgendeinem Punkt ist es schnell eskaliert, da sich die ganze Situation einfach zugespitzt hat.

Nach einigen Tränen und vieler Verzweiflung wurde gemeinsam mit Claudia und der Econ eine vorübergehende Lösung für mich gefunden: Ein anderes Projekt.

Jetzt bin ich erst mal in einem neuen Projekt der Fundación aktiv und zwar im „Apoyo y Custodia Familiar“, also „Familienunterstützung und Sorgerecht“. Noch bin ich sehr frisch dabei, dennoch kann ich schon jetzt sagen, dass ich mich hier zu 100% wohl fühle, was für mich erst mal der wichtigste Faktor war. Ich verstehe mich mit meinen Arbeitskolleginnen sehr gut und auch das Projekt an sich ist sehr interessant und spannend. Ich blicke positiv in die Zukunft und bin offen für alles was jetzt auf mich zukommt und bin gespannt wie es jetzt weiter geht für mich. Aber genau so schaue ich auch zurück und bin dankbar für die sowohl positiven als auch negativen Erfahrungen, die ich gemacht habe. Denn vor allem die negativen Erfahrungen zeigen mir, dass das Leben nicht immer einfach ist und helfen mir dabei mich zu entwickeln und über mich hinauszuwachsen.

 

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