Es riecht morgens nicht nach Wiese, sondern nach Abgasen und ich schaue von unserem Wohnungsfenster nicht auf einen Wald, sondern auf den Supermercado auf der anderen Strassenseite. Soweit die ersten Veraenderungen. Doch gibt es natuerlich auch im alltaeglichen Stadtleben viel ungewohntes. So habe ich gemerkt, wie sehr ich das Thema Kinderarbeit bei meiner Vorstellung von Ecuador vergessen habe, als mir das erste mal ein Junge von hoechstens acht Jahren Zigaretten verkaufen wollte. Natuerlich koennte man an diesem Punkt wuetend auf die Eltern dieses Kindes sein, warum sie den ihren Kleinen um ein Uhr Nachts vor den Eingang einer Kneipe stellen. Oder man fragt sich, wieso es denn notwendig ist, das ueber jedes dritte Kind hier Arbeit wie diese verrichten muss. Und dann richtet sich der Blick wohl eher auf soziale Ungerechtigkeiten, politische Verfehlungen und generelle kapitalistische Ausbeutung. Dann kommt man zwar nicht so schnell zu einer Loesung, als wenn man dafuer die Eltern beschuldigen wuerde, aber die Wut darueber richtet sich dann wenigstens, so glaube ich, an den richtigen Adressaten. Naemlich auch an sich selbst. Beziehungsweise an das, was man aufgrund seiner kulturellen und geschichtlichen Herkunft verkoerpert und das, womit man sich auseinandersetzen muss. So kommt mir der von Weissen bestimmte Kapitalismus fast schon wie eine subtilere Fortsetzung der spanischen Kolonialzeit vor. In dieser Gesellschaft, in der der Hauptteil der Bevoelkerung Mestizen sind, weren viele Ideale trotzdem von Weissen besetzt. Oder anders formuliert: Dem, der mir in Quito ein grosses Werbeplakat zeigt, auf dem das Model ein Mestize ist, dem backe ich einen Kuchen. Das mag etwas ueberspitzt formuliert sein, aber die eigentlich Frage ist ja, wo der praktische Transfer zum eigenen Erlebten ist. So erinnere ich mich an ein Erlebnis, das ich zusammen mit meinen drei Mitbewohnern und unserem damaligen Mentor in Cuenca hatte. Dort tranken wir auf einem oeffentlichen Platz auf dem ein kleines Fest stattfand, jeder ein Bier. Weil das Trinken von Alkohol auf oeffentlichen Plaetzen in ganz Ecuador verboten ist, kam auch bald schon ein Offizieller des Festes. Uns vier weissen bat man nur, das doch bitte zu unterlassen. Unser ecuadorianischer Ex-Mentor wurde des Platzes verwiesen. Den verliessen wir dann natuerlich auch alle gemeinsam, aber es hat mir eins klargemacht: Du wirst im Hier und Jetzt als etwas besseres behandelt, weil deine Kultur dafuer die Verhaeltnisse schafft, beziehungsweise geschaffen hat. Das ist nichts, wofuer man sich nun selbst schuldig fuehlen muss, aber durchaus eine Wahrheit, mit der man verantwortungsvoll umgehen sollte. Zum Bespiel durch einen respektvollem Umgang mit Sprache und Kultur. So faellt mir auf, das ich auf der Arbeit noch viel zu viel deutsch spreche. Oft aus Unsicherheit und Unvermoegen heraus, aber leider auch viel zu oft aus Bequemlichkeit. Ein Umstand, den ich unbedingt noch aendern muss. Ich fuer meinen Teil bin jedenfalls sehr froh, all das hier erleben zu koennen und ich freue mich auf die noch verbliebenen neun Monate.