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„Es ist in meinem Leben nicht immer alles ganz einfach – so glauben es zumindest die meisten Anderen – obwohl ich das eigentlich gar nicht unbedingt denke. Ich fühle mich wie jedes andere elfjährige Kind.

Zum Beispiel kann ich super Fußball spielen. In der Schule warten meine Freunde immer nur darauf, dass ich morgens mit meinem Ball ankomme und wir in der großen Pause eine Partie starten können. Besonders im Tor bin ich einer der Besten und halte jeden Ball, wenn er nicht gerade in einem viel zu hohen Bogen auf mich zu fliegt. Auch zu Hause im Casa Familia spielen wir auch so ziemlich jeden Nachmittag Fußball, sobald wir die Hausaufgaben gemacht haben und bis zum Abendessen noch etwas Zeit ist.

Ich liebe Fußball einfach!

Aber genauso gut wie Fußball spielen kann ich auch alles andere erledigen, was neben dieser Lieblingsbeschäftigung noch so zum Tagesablauf gehört. Ich kann morgens alleine aufstehen, mich anziehen, mich duschen, meine Zähne putzen und frühstücken. Das kann ich vor allem auch schneller als die anderen Kinder in meinem Haus, die immer trödeln, in der Welt herumträumen und oft ermahnt werden müssen.

Ich mache es einfach selbstständig!

Wenn wir von der Schule kommen, dann gibt es erst einmal Mittagessen und danach wäscht jeder seinen Teller ab und erledigt sein Officio (eine Haushaltsaufgabe) - genauso auch ich. Einer fegt den Boden, ein Anderer trocknet das Geschirr ab, Jemand putzt die Arbeitsflächen, Einer kümmert sich um die Wäsche und ich wische die Küchenschränke ab. Die Anderen streiten sich oft darum, wer welche Aufgabe erledigt, und welche Aufgabe die Beste sei. Aber ich habe meine feste Aufgabe, die ich immer mache; ich tausche nie mit den Anderen und das wissen sie auch.

Ich bin mittlerweile ein Experte im Küchenschränkeputzen!

Nachmittags müssen wir aber auch noch unsere Wäsche waschen, damit sie bis zum nächsten Tag trocknet und wir frische Kleidung für die Schule haben. Also heißt es erst einmal, die dreckigen Socken zu schrubben, bis sie wieder weiß sind und in die Waschmaschine können. Auch darin bin ich super. Ich werde nicht so schnell müde in den Armen wie die Anderen, weshalb mir das Socken waschen auch nicht viel Mühe bereitet.

Ich erledige es einfach!

Was mir neben all diesen notwendigen Sachen aber am Liebsten ist – fast noch lieber als meine Lieblingsbeschäftigung des Fußballspielens – sind die Wochenenden im Skatepark. Wenn wir einmal die Gelegenheit haben, dass uns ein Bekannter meiner Fundación „Cristo de la Calle“ in den Skaterbereich des Stadtparks fährt, dann klopft mir mein Herz bis zum Hals. Das ist nämlich etwas, was ich kann wie kein Anderer. Ich fege mit meinem Board wie ein Blitz vor den anderen Kindern weg – und das auch über Stock und Stein. Ich drehe Kurven, wie kein Anderer, Pirouetten, ohne vom Board zu fallen und habe letztens auch das Rückwärtsfahren für mich entdeckt.

Ich und mein Skateboard sind einfach ein einmaliges Team!

Worum mich die anderen Kinder auch beneiden, ist aber nicht nur, dass ich so gut Skateboard fahren kann, sondern genauso, das ich beim Armdrücken einfach immer gewinne. Eigentlich will ich nicht so selbst-überzeugt reden, aber es ist einfach so. Wenn ich gegen einen Älteren antrete, selbst wenn es ein Erwachsener ist, dann besiege ich den Anderen meist nach kurzer Zeit und wir lachen zusammen über sein Verlieren. Denn wenn jemand gegen mich antritt, dann meist nur aus Spaß, weil wir eigentlich genau wissen, dass ich wahrscheinlich gewinnen werde.

Ich bin einfach ein Meister im Armdrücken!

Das bin ich, Marselino, elf Jahre alt und so ziemlich immer gut gelaunt :)

Was ich gerade merke, ist, dass ich euch noch gar nicht erzählt habe, dass ich meine Beine nicht so bewegen kann, wie es andere Kinder können. Ich kann nicht so laufen, wie es andere Kinder können und habe einen Rollstuhl, in dem ich von der Schule abgeholt werde. Denn ich habe eine Krankheit, die sich Atrogriposis nennt und eine angeborene Form der Gelenksteife ist. Sie hat zur Folge, dass es zu einer gestörten Muskelentwicklung kommt und deshalb die funktionsgerechte Ausformung meiner Gelenke hüftabwärts behindert ist. Meine Muskeln in den Beinen sind also unterentwickelt und ich kann nicht laufen oder aufrecht stehen. Aus diesem Grund sitze ich wie auf meinen Knien mit angezogenen Beinen und bewege mich mit meinen Händen fort. Deshalb habe ich auch sehr viel Kraft in meinen Armen, da sie durch das „Gehen“ gut trainiert sind. Es ist für mich ganz normal, mich so fortzubewegen und ich kann auf diese Weise nicht nur „gehen“, sondern auch „laufen“ und das sogar schneller als so manch anderes Kind.

Meine Krankheit ist erblich und ich habe sie seit meiner Geburt. Also habe ich es nie erlebt, was es bedeutet, ganz „normal“ zu gehen und sich zu bewegen, wie andere Kinder in meinem Alter. Ich habe es auch nie erlebt, mit ihnen auf einer Augenhöhe zu sein, wenn wir nicht gerade an einem Tisch sitzen. Ich weiß auch nicht, wie es sich anfühlt, beim Gehen beide Hände freizuhaben, um etwas zu tragen oder nebenbei ein Eis zu essen. Ich habe eine Carne de Discapacidad, einen sogenannten Behindertenausweis, in dem steht, dass ich zu 30 % in meinen Fähigkeiten eingeschränkt bin; doch das sehe ich selbst eigentlich gar nicht so. Ich fühle mich wie ein ganz gesundes, nicht-behindertes Kind, denn schließlich bin ich selbstständig und kann fast alles genauso machen wie andere Kinder. Meinen Rollstuhl lasse ich am Liebsten auch zu Hause und nehme höchstens mein geliebtes Skateboard mit, wenn ich aus dem Haus gehe. Denn wenn ich im Rollstuhl sitze, bin ich viel unselbstständiger und langsamer als ohne dieses große, rollende Gestell. Ich fühle mich dann so anders als die Anderen und viele Menschen schauen mich an. Außerdem ist es mit diesem Silla, wie ich ihn einfach nur nenne, nicht so einfach Bus zu fahren oder irgendwo lang zu spazieren, da die wenigsten Gebäude in Ibarra „barrierefrei“ gebaut und die Rampen an den Bürgersteigen oft von Autos zugeparkt sind. Wenn wir morgens zur Schule gehen, setze ich also stattdessen lieber meinen schweren Schulrucksack in den Stuhl, schnalle ihn mit meinem Fußball zusammen sicher unter dem Gurt an und düse mit meinem Skateboard los. Denn auf dem Hinweg zur Schule geht es zu meiner Freude wirklich nur bergab – ein morgendlicher Traum.

In meinem Casa Familia spielen und balgen und albern wir herum, ohne dass es jemandem auffällt, dass ich mich etwas anders bewege. Da macht es keinen so großen Unterschied, wie in der Öffentlichkeit unter alle den Leuten. Im Casa Familia muss ich wohl oder übel auch genauso alle ungeliebten Haushaltsaufgaben miterledigen, und werde nicht ausgelassen oder bevorzugt behandelt als alle anderen, denn schließlich bin ich auch ein Kind wie alle anderen.

Es gefällt mir deshalb auch gar nicht, wenn jemand mich auf der Straße mitleidig anschaut und fragt, ob er mir bei den einfachsten Aufgaben helfen kann oder ob er mich über die Straße tragen soll. Dann fühle ich mich so, als sei ich hilflos und könnte es nicht allein. Ich weiß zwar, dass die meisten es nur lieb meinen und mir nur etwas Gutes wollen, aber ich kann es eben auch allein. Ich möchte so behandelt und gesehen werden, wie alle anderen, denn nicht nur eigentlich bin ich genau so gleich oder ungleich wie alle anderen. Behinderung hin oder her – jeder Mensch ist andersartig und individuell, jeder Mensch hat andere Eigenschaften, jeder denkt, fühlt und bewegt sich anders. Ich weiß nicht, warum man in zwei Seiten „behindert“ und „nicht-behindert“ aufteilen sollte. So wie es Kinder gibt, die besser Fußball spielen können solche, die nicht einmal den Ball treffen und Kinder gibt, die wie Picasso malen können und andere, bei denen man einen gemalten Mond als Banane ausmachen würde, kann ich manches eben nicht ganz so gut, aber vieles auch sogar besser als Andere.

Denn, wie ich es zum Anfang erzählt habe...

...liebe ich es, Fußball zu spielen und halte jeden Ball...

...bin ich ein Experte im Küchenschränke putzen...

...kann ich meine Socken waschen ohne davon müde zu werden...

...sind ich und mein Skateboard ein einmaliges Team...

...bin ich ein Meister im Armdrücken...

Ich kann vieles und bin ich und ganz normal – wie jedes andere Kind auch.

Euer Marselino

 

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