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Nach meiner Rückkehr aus Ecuador hatte ich wenig Zeit um wirklich „anzukommen“. Statt dem Versuch zu verstehen, ob und was sich in mir verändert hatte, bin ich nach wenigen Tagen an einer Pariser Uni gleich wieder in meine alte Routine gerutscht. Doch die Erfahrungen die ich nun in Frankreich mache, wecken in mir Erinerungen an die ersten Monate in Ecuador. Auch wenn die geographische Distanz zur „Heimat“ viel geringer ist, gilt das nicht für die kulturellen Unterschiede und es bleibt ebenso schwer mit ihnen umzugehen. Kurz vor meiner Abreise aus Ecuador habe ich eine Reise in Yasuni unternommen, die nach fast einem Jahr nochmals eine komplett neue Konfrontation mit einer fremden Kultur bedeutete. Die sechs Tage bei den Wuaranikriegern waren reich an interessanten Erfahrungen, die zu zahlreichsind um sie hier aufzuzählen. Doch kann man im Allgemeinen sagen dass diese Woche im Yasuni, als Begegnung mit einer fremden Kultur den ersten Wochen in Ecuador oder jetzt in Paris sehr ähnlich kam.

Kurz vor meiner Abreise aus Ecuador beschloss ich also in den Yasuni zu reisen. Obwohl das Gebiet seit 1989 zum Biosphärenreservat gehört und von großer Bedeutung für den Biodiversitätsschutz ist, gibt es ständige Konflikte zwischen verschiedenen Interessensgruppen, wie Ölunternehmen, staatlichen Behörden, Naturschützern und indigenen Ureinwohnern. Neben den unzähligen Pflanzen, Insekten, Vögeln, Reptilien und Säugetierarten, leben nämlich noch indigenen Stämme im Yasuni, wovon einige noch keinen Kontakt zur Außenwelt hatten. Andere hingegen betreiben seit einigen Jahren Tourismus, und finanzieren so ihren Kampf gegen die Ölunternehmen, die sie mit ihren Bohrungen ihres Lebensraumes berauben. Eine Woche bei einem Wuaranistamm zu leben ist ein äußerst eindrucksvolles Unternehmen, doch dass man als Tourist selber Teil eines moralisch fraglichen System wird, nimmt man erst nach der Reise wirklich war. Der Reiz Menschen zu treffen, die ihr Leben lang im Urwald verbracht haben und in ihre mystische Intimität einzudringen, lässt Kosten, Mühen und ethische Bedenken vergessen.

Von Coca aus war es eine zweitagesreise, bis wir in die Tiefen des ecuadorianischen Nationalparks, an die peruanische Grenze gelangten. Im motorisierten Kanu fuhren wir, dem Strom des dunklen Shiripuno Flusses entgegen, durch das weltweit artenreichste Naturschutzgebiet der Welt.. Es ist schwer sich vorzustellen an wie viel tausend Lebensformen man mit jedem Meter vorbeifährt, und das wirkliche Ausmaß dieser bedrückenden Schönheit zu ergreifen, zu fühlen, ist wahrscheinlich nicht möglich. Als nichtsahnender Großstadtmensch versucht man diese fremde Welt die einen umgibt so zu ergreifen, als das zu fassen, was man glaubt vor sich zu haben. Unsere wuaranischen Führer wissen genau auf welche Attraktionen ihre Gäste warten und welche Tiere unsere Blicke fangen. Unter dem großen Gelächter der jüngeren Mitglieder des Wuaranistammes werden uns Kapuzineräffchen, Papageien und Riesenarmeisen gezeigt. Dass es solche sonderbaren Lebewesen sind, die unser Interesse am meisten erwecken ist nur natürlich. Doch bei dem punktuellen, voreingenommenen Blick den wir auf diese Welt werfen, wird es umso schwieriger zu bergreifen in welches System man Eindringt, welche Intimität man bricht. Das Leben in der Dorfgemeinschaft lässt diese erste Naivität ein wenig verblassen, in dem das alltäglich Leben und Teilen mit den Wuaranis die kleinen Details des Urwaldlebens, (wie etwa sich das Frühstück mit einem gezähmten Affen zu teilen), zur Normalität erhebt. Doch auch wenn man von ihr vollständig umgeben ist, bleibt man dieser Welt als Ganzes fremd. Die Unterschiede sind zu groß und unsere Stereotypen zu präsent, um innerhalb einer Woche ein wirkliches Verständnis zu fördern. Und dieser Inkompatibilität bewusst, leisten die Wuaranis beeindruckend kulturelle Arbeit.
Wenn die Konfrontation mit den alltäglichen Details natürlich einerseits das Bewusstsein der kulturellen Diskrepanz vertieft, erweckt das ungezwungene, selbstverständliche Miteinander der Dorfgemeinschaft den Eindruck als gehöre man dazu, trotz aller Unterschiede. Ganz allgemein war die Einführung in das Leben der Wuaranis, die wir als völlig fremde Eindringlinge bekamen, nie ein Versuch Bräuche, Traditionen oder sonstige kulturelle Elemente mit einem universellen Sinn zu rechtfertigen. Die Erfahrungen der verschiedenen Aspekte der Wuaranikultur wurden uns in ihrem natürlichen Kontext offenbart, in ihrer eigentlichen Funktion innerhalb einer in sich stimmenden, für uns unerreichbaren Welt. Und in einer Welt in der wir so vollkommen auf die Hilfe der Wuaranis angewiesen sind, scheint auch wenn es für uns nicht verständlich ist, jedes Element seinen berechtigten Platz zu haben, eine wichtige Rolle zu spielen. So wird einem, ohne dass unseren stereotypisierten Erwartungen explizit widersprochen wird, bewusst, dass das was man sieht mit unseren eigenen Kriterien zu beurteilen, nur falsch oder absurd sein kann.

Auch in Ecuador im Allgemeinen war die Problematik, dass man, wenn auch ungewollt, immer nach seinen eigenen Kriterien beurteilt. Da im Unterschied zu den Wuaranis das alltägliche kulturelle Leben dem unseren auf Anhieb sehr ähnlich sieht, wird man sich nicht so schnell bewusst, dass es falsch ist unseren instinktiven Wertungen zu viel Gehör zu schenken. Im Hinblick auf mein jetziges Leben in Frankreich kann ich sagen, dass es noch schwieriger ist sich der Unterschiede bewusst zu werden, als in Ecuador. Wenn ich mich in diesem Punkt in Ecuador verstandener gefühlt habe, dann weil die kulturellen Unterschiede vor allem auf sprachlicher Ebene existieren. Ohne Spanisch oder Wuaranikenntnisse werden meine kulturellen Differenzen als natürlich empfunden. Als französischsprechender in Frankreich fällt meine Andersartigkeit als viel unpassender auf, weil eine gemeinsame Sprache mit gemeinsamem Denken assoziiert wird. In Frankreich fehlt mir zur Zeit eben jenes Verständnis, dass meine schlechten Spanischkenntnisse in Ecuador in den Leuten hervorgerufen haben. So scheint, dass je ähnlicher die Kultur uns erscheint – was vor allem mit dem Beherrschen der Sprache zu tun hat – desto leichter stolpert man in das Denkschema, das man alles nach den gleichen Kriterien beurteilen könne. Die Wuaranis haben uns in einer knappen Woche gezeigt, wie ein natürlicheres Zusammenarbeiten der Kulturen möglich ist. Nämlich durch das Bewusstsein der radikalen Diskrepanz zwischen unseren Kulturen, die so ähnlich sie sich auch sehen mögen, jeweils ihre eigene Logik und Berechtigung finden, und für Außenstehende ohne eine jahrelange intensive Arbeit, niemals wirklich verständlich sein wird.

Dieser kleine Gedanke, dieses Bewusstsein, dass das was ich vom anderen höre und sehe mir selbstverständlich im Kontrast mit meiner eigenen Kultur erscheint, ich dieser Wertung jedoch keine allzu große Aufmerksamkeit leihen darf, hat Gabriel García Marquez in seiner Nobelpreisrede 1982 formuliert, (leider habe ich den Text nicht auf Deutsch gefunden):

„Es comprensible que insistan en medirnos con la misma vara con que se miden a sí mismos, sin recordar que los estragos de la vida no son iguales para todos (...) La interpretación de nuestra realidad con esquemas ajenos sólo contribuye a hacernos cada vez más desconocidos, cada vez menos libres, cada vez más solitarios.”

Einerseits heißt ein Besuch bei den Wuaranis, ein Einbrechen in eine Kultur und ein System, das in vollkommener Isolation zu dem geworden ist was es ist. Doch einmal von der Frage abgesehen ob eine solche Isolation in diesem Sinne überhaupt existiert und möglich ist, scheint eine Konfrontation unserer Kulturen unvermeidbar. Das zeigen schon allein die offensichtlichen Interdependenzen der Wuaranis, die Benzin und Strom benötigen, um den Erhalt ihrer Kultur gegen diejenigen zu verteidigen, die die Stromversorgung und Erdölversorgung überhaupt garantieren und somit notwendig machen, die Erdölunternehmen. Gleichzeitig besucht man den Yasuni um seine einmalige Unberührtheit zu bestaunen, und wird somit zu dem wesentlichen Faktor, der die Langlebigkeit letzterer erst in Frage stellt.

Das Fazit nach einer Woche im Yasuni war ein gemischtes Gefühl von schlechtem Gewissen und Erhellung, in dem Bewusstsein dass das eine das andere mit sich bringt. Doch die wesentliche Erkenntnis war, und dies noch viel stärker als für Ecuador im Allgemeinen, dass die Konfrontation unserer Welten unumgänglich ist, es aber gewissermaßen darum geht, wie wir sie gestalten. Dabei ist es für einen friedlichen und lehrreichen Austausch unumgänglich, von seinem natürlichen Ethnozentrismus einen gewissen Abstand zu nehmen und den anderer ebenso zur Kenntnis zu nehmen, wie die Tatsache, dass er nur von innenheraus erkannt oder abgelegt werden kann.

 

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