Hola Nun haben wir schon Mitte Mai und mein Jahr neigt sich langsam bzw. sehr bald dem Ende zu. Dennoch kann ich mir jetzt noch nicht ganz vorstellen wieder in Deutschland zu sein und mein Leben hier zu verlassen. Mittlerweile haben wir uns sehr gut eingelebt : Wir besuchen zwei mal pro Woche einen Salsa Kurs, bei dem wir einige Freunde gefunden haben und ein Mal pro Woche gehe ich mit einer anderen deutschen Freiwilligen, die seit neustem auch bei mir im Haus mitarbeitet, in einen Yoga Kurs. An den Wochenenden sind wir nach wie vor viel unterwegs: Mitten in der Nacht gehts dann meist zum Terminal um dort einen Bus zu erwischen. Am nächsten Morgen kommen wir dann meist etwas müde aber voller Tatendrang in der gewünschten Stadt bzw. dem Gebiet an. Mittlerweile bin ich sogar so an das Busfahren gewönnt, dass ich nach 3 Wochen ohne Busreisen schon etwas vermisse. Die meisten Reiseziele sind einfach unbeschreiblich schön und vielfältig, da Ecuador ein großes Küstengebiet im Westen besitzt, die Anden (Berglandschaft) in der Mitte und den Oriente (Dschungel) im Osten. Es gibt unendlich viele Wasserfälle, Lagunen, Vulkane und Berge, die aussehen als wären sie aus einem Bilderbuch oder einem Animationsfilm. Die Vegetation ist unglaublich vielfältig: Orchideen wachsen am selben Ort wie Kakteen und Laubbäume. Und für die Geduldigen gibt es noch unzählige Schmetterlingsarten und Vogelarten zu beobachten, wobei die Kolibris wohl die schönsten und interessantesten Vögel hier zu Lande sind (aber leider auch am Schwersten zu entdecken, da sie so unglaublich schnell sind). Aber zurück zu meinem Leben hier in Ibarra. Ich arbeite immer noch in Los Ceibos aber es hat sich hier einiges verändert. Nachdem vor einigen Monaten J. ( siehe 2. Bericht) ausgezogen ist, hat sich die Situation in meinem Haus sehr verbessert. Es ist erstaunlich wie viel Einfluss ein einziges Kind haben kann. Ich konnte J. immer gut leiden und ich war traurig als der die Casa Famila verlassen musste, aber für alle Beteiligten ist es besser so. Meine Kinder sind gesamt gesehen jetzt viel ruhiger, kommen nicht mehr auf so viele „scheiß“ Ideen, sodass meine Arbeit sehr viel entspannter ist. Sie gehorchen jetzt besser beim Hausaufgaben machen, zicken nicht mehr so oft herum, hauen nicht mehr ab, nur in der Schule gibt’s noch ein paar Probleme und das Klauen haben immer noch nicht alle abgelegt. Vor zwei Monaten haben wir dann wieder neuen Zuwachs bekommen, von zwei alt bekannten Gesichtern der Fundación. Die 13 Jährige M. ,die schon vor einigen Jahren in einer der Casas gewohnt hat und R. der 17- jährige, der kurz vor Weihnachten adoptiert wurde, sind wieder zurückgekehrt. Denn auch wenn die Fundación versucht die passenden Familien für die Kinder auszuwählen, ist nicht jedes Kind mit jeder Familie kompatibel und vielen ist leider auch nicht bewusst was es bedeutet ein Kind zu adoptieren. Die Educadora (Erzieherin) hat mir damals gesagt: solche Sachen passieren und man kann es nicht immer vorhersehen. Natürlich werden die Kinder dies nicht mehr so schnell vergessen, aber die Casa Familia wird immer ihre Familie sein und das Leben ist nicht nur von schönen Ereignissen geprägt. Generell kann man sagen die Familie hat einen viel höheren Stellenwert im Leben der Ecuadorianer. Deshalb ist für die meisten Kindern die Trennung von ihren Eltern auch äußerst schlimm, auch wenn diese sie vernachlässigt oder geschlagen haben. Ecuadorianische Eltern sind im Vergleich zu deutschen Eltern meist viel besorgter um ihre Kinder (vor allem wenn es Mädchen bzw. junge Frauen sind), sodass die meisten Mädels in unserem Alter nicht wie wir abends weggehen oder am Wochenende in Ecuador herumreisen dürfen. Für die meisten ist auch sehr erstaunlich, dass wir mit unseren 18 bzw. 20 Jahren alleine ohne Eltern in einer Wohnung leben dürfen und dass uns keiner sagt wann wir zuhause sein müssen. Die meisten Ecuadorianer/innen ziehen nämlich meist erst aus, wenn sie verheiratet sind und wenn sie sich scheiden lassen ziehen sie sogar oft wieder zu ihren Eltern. Natürlich liegt dies oft am Geld, aber viele Ecuadorianer haben eine so enge Beziehung zu ihren Eltern, dass sie es sich auch nicht anders vorstellen können. Wir haben z.B. eine Freundin, die in Quito wohnt und so gut wie jedes Wochenende nach Ibarra kommt um ihre Eltern zu besuchen. Für viele junge Ecuadorianerinnen nimmt ihre Mutter auch die Rolle einer guten Freundin ein. Einerseits finde ich es schön, wie viel Wert Familie hier in Ecuador hat und auch bei den Kindern von meiner Arbeit sieht man immer wieder wie wichtig ihnen ihre Geschwister und Eltern sind. Auf der anderen Seite bemerke ich oft, wie unselbständig einige sind und wie sie auch wenn sie schon ihr eigenes Leben führen noch sehr abhängig von ihren Eltern sind. Ich z.B. musste schon in der ersten Klasse mit meinen Freundinnen alleine zur Schule und zum Sport laufen. Meine fast 14 jährige z.B. dagegen kann nicht mal alleine mit dem Bus zum Tanzen fahren und auch fast jedes Kind (von 3-10 Jahren) wird von ihren Eltern oder einem Geschwisterteil von der Schule abgeholt. Zum Schluss muss ich noch erwähnen, wie froh ich bin mich für diese FSJ in Ibarra entschieden zu haben, auch wenn ich diesem Jahr feststellen musste: nicht immer verläuft alles super nach Plan, so wie man es sich vorstellt. Es gibt Ereignisse auf die man keinen Einfluss hat, die einen einfach so überraschen und so schnell nicht mehr los lassen. Aber aus diesem Grund hat man Freunde und Familie, die einen wieder aufbauen. Ich kann mit Glück sagen, dass ich die besten Mitbewohnerinnen habe und die Casa familia in der ich arbeite, meine zweite Familie geworden ist. Zudem habe ich gute neue Freunde gefunden, die mich immer wieder an die unglaublich schönen Ereignisse in Ecuador erinnert haben und immer an die Zeit hier erinnern werden. Liebe Grüße