Nun ist das Jahr in Ecuador für mich schon fast vorbei.
Ich konnte viele Erfahrungen sammeln – bei der Arbeit, in meinem Alltag in Ibarra und beim Reisen. Eines der Dinge, die ich an Ecuador besonders schätze, ist die vielfältige Natur mit den Pflanzen und Tieren, die ich vorher noch nie in echt gesehen hatte. Obwohl Ecuador eine relativ kleine Fläche hat – etwa so groß wie Italien – ist es eines der artenreichsten Länder der Welt. Schon nach kurzer Busfahrt kann sich das Klima und die Landschaft stark verändern. Vom tropischen Regenwald über karge Berglandschaft bis hin zu feuchtem Nebelwald.
Ecuador liegt am Äquator und umfasst vier sehr unterschiedliche Naturräume: die Costa, also der Küstenbereich im Westen Ecuadors, in der man Strände und Mangrovenwälder findet. Außerdem gibt es hier viele landwirtschaftlich genutzte Flächen, auf denen zum Beispiel Bananen, Kakao, Zuckerrohr oder Reis angebaut werden.
Dann gibt es noch die Sierra, die Anden, also Gebirgsregionen, die etwa 1000 bis 6000 Meter hoch sind. Dort ist es aufgrund der Höhe kühler, und je tiefer man fährt, desto wärmer wird das Klima. Ibarra liegt in dieser Andenregion.
Im Osten von Ecuador liegt der Oriente, das Amazonasgebiet. Die Region ist geprägt von tropischem Regenwald mit hoher Luftfeuchtigkeit und einer großen Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen.
1000 km von der Küste sind die Galapagos-Inseln gelegen. Dies ist eine vulkanische Inselgruppe, die für ihre zahlreichen endemischen Arten bekannt ist – also Arten die ausschließlich dort vorkommen und an keinem anderen Ort der Erde zu finden sind. Dieses weltweit einzigartige Ökosystem entstand durch die isolierte Lage der Inseln und die speziellen Bedingungen von Klima und Vulkanen.
Aufgrund dieser besonderen Lage Ecuadors, die vom Äquator, den Anden, dem Amazonasgebiet und den abgelegenen Galapagos-Inseln geprägt ist, verfügt das Land über eine hohe Biodiversität. Jede Region bringt ihr eigenes Klima, eigene Lebensräume und eine reiche Flora und Fauna mit sich, was Ecuador zu einem der artenreichsten Länder der Welt macht. Diese Vielfalt bietet nicht nur beeindruckende Naturerlebnisse, sondern ist auch für Forschung, Tourismus und den Umweltschutz von großer Bedeutung.
Was heißt Biodiversität und warum ist es so wichtig diese aufrechtzuerhalten? Biodiversität beschreibt die enorme Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, sowie an Ökosystemen, die weltweit existieren. Sie bildet die Grundlage allen Lebens – auch unseres. Intakte Ökosysteme sind essenziell für unsere Ernährung, sauberes Trinkwasser, fruchtbare Böden und ein stabiles Klima. Ohne die biologische Vielfalt wären viele unserer natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet. Gerade Länder mit besonders hoher Biodiversität, wie Ecuador, tragen eine wichtige Verantwortung für deren Schutz. Denn der Verlust von Arten und Lebensräumen nimmt immer schneller zu und gilt als eine der größten Bedrohungen für unsere Zukunft. Um dem entgegenzuwirken, ist es wichtig, die natürlichen Ressourcen nachhaltig zu nutzen, Lebensräume zu erhalten und geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen. Der Schutz der Biodiversität ist nicht nur ein Beitrag zum Umweltschutz, sondern auch zur sozialen Gerechtigkeit und nachhaltigen Entwicklung – heute und für kommende Generationen.
Um die vielfältige Natur Ecuadors zu erhalten, wurden über 30 staatlich geschützte Parks und Naturschutzgebiete eingerichtet. Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere privat geführte Naturschutzgebiete und Initiativen von Umweltorganisationen sowie lokalen Gemeinschaften. Insgesamt stehen rund 18% der Landesfläche Ecuadors und fast 20% der ecuadorianischen Meeresgebiete unter offiziellem Schutz. Diese Flächen bilden die Grundlage für den Erhalt ökologischer Vielfalt, schützen wichtige Wassereinzugsgebiete und dienen als Rückzugsräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten.
Im Jahr 2008 wurde das Programm „Sociobosque“ ins Leben gerufen. Es zielt darauf ab, die nachhaltige Nutzung und den Schutz einheimischer Ökosysteme auf privatem Land zu fördern. Teilnehmende LandbesitzerInnen, Gemeinden und indigene Gemeinschaften werden finanziell unterstützt, wenn sie ihre Wälder, Feuchtgebiete oder andere natürliche Lebensräume nachhaltig nutzen, um diese langfristig zu erhalten und vor Zerstörung zu bewahren.
Leider sind die Behörden aber oftmals nicht ausreichend in der Lage für die Einhaltung der Umweltgesetze zu sorgen und die Schutzgebiete zu kontrollieren. Seit Beginn des Jahrtausends hat Ecuador ungefähr eine Million Hektar Baumbestand verloren, etwa ein Viertel davon bis dahin unberührten Regenwald. Vor allem passiert das durch die Ausweitung von Landwirtschaft, durch die Erdölförderung und den Bergbau.
Seit der Verfassungsänderung 2008 ist Ecuador eines der einzigen Länder, in denen die Natur Rechtsansprüche hat. Die Natur hat eigene, verfassungsmäßige Rechte, wie z.B. das Recht auf Existenz, Erhalt und Regeneration. Dies eröffnet theoretisch die Möglichkeit, Umweltschutz juristisch durchzusetzen. Jeder Mensch kann so im Namen der Natur – sei es ein Fluss, Ökosystem oder Wald – klagen. Damit war Ecuador das erste Land und weltweit Vorreiter – gefolgt von anderen Ländern, wie Bolivien, Indien und Neuseeland.
Allerdings steht dieser Fortschritt derzeit stark unter Druck. Präsident Daniel Noboa hat im Juli 2025 das Ministerium für Umwelt, Wasser und ökologischen Wandel abgeschafft und dessen Aufgaben dem Energieministerium übertragen – also genau dem Bereich, der für Bergbau und Erdölförderung zuständig ist. Auch neue Gesetze zur Verwaltung geschützter Gebiete und zur Kontrolle von Umweltorganisationen sorgen für Unruhe. Viele befürchten, dass wirtschaftliche Interessen nun stärker zählen als der Schutz der Natur.
Ich hoffe, dass der Schutz der Natur in Ecuador trotz der aktuellen politischen Entwicklungen in Zukunft Priorität hat. Denn Naturschutz ist nicht nur ein ökologisches Anliegen, sondern auch eine Frage der Gerechtigkeit und Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Für mich wurde dieses Jahr deutlich, wie eng Umweltschutz, Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung zusammenhängen. Deshalb hoffe ich, dass immer mehr Menschen – in Ecuador und weltweit – Verantwortung übernehmen, bewusster handeln und sich für den Schutz der Umwelt einsetzen.