Diese Seite drucken

Hannah - 2. Bericht

Hannah Artikel

Überraschung

Da kommt er, schnell Hand raus und noch viel schneller SPRINGEN! Hier sitze ich jetzt: In einem blauen Bus, der knarzt und in dem die laute Musik bis nach draußen schallt. Die Türen sind natürlich während der gesamten Fahrt geöffnet und die Sitze sind so abgenutzt, dass man die Sitzkissen kaum noch erkennt. Plötzlich steigt ein Mann ein. Er stellt sich vor, dann holt er eine Musikbox raus und beginnt zu singen. Nur kurz danach springt eine Frau in den Bus- mit Kind in einem Tuch auf dem Rücken. Sie erzählt, dass sie Marmelade für wenig Geld verkauft. Während ihrer Anrede sammelt der andere Mann sein Geld bei den Menschen im Bus ein. Die Frau verkauft dann nach ihm. So läuft es ungefähr ab wenn ich mit dem Bus zur Arbeit fahre. Ich kann mir nicht mal mehr vorstellen, wie sauber und geregelt die Busse in Deutschland sind, aber ich weiß, dass ich es liebe, hier Bus zu fahren. Es ist nicht nur eine Busfahrt, sondern es ist jedes Mal eine Überraschung. Es kann sein, du musst 20 Minuten warten bis der Bus an der Straße, wo du stehst vorbeifährt. Es kann aber auch sein, er kommt nach zwei Minuten und du springst rein. Im Bus selbst geht die Überraschung erst richtig los. Lara hat mal zu mir gesagt: ,,Du suchst dir hier nichts zu kaufen, die Sachen kommen zu dir." So sitze ich im Bus und wenn ein Mann mit Eis zu verkaufen reinkommt, dann kaufe ich das Eis. Wenn aber ein Mann mit Feuerzeug reinkommt, dann kaufe ich eben das Feuerzeug. Das ist keine Abzocke, sondern so machen es tatsächlich auch die Ecuadorianer. Genau deshalb mag ich diese Busfahrten so. Sie spiegeln auf eine Art und Weise das Leben hier in Ecuador wider: Spontan, einfach, überraschend aber vor allem nützlich. Es ist kein sauberer, deutscher Bus mit ausgebautem Liniennetz, aber er erfüllt seine Zwecke und immer wieder wird man aufs Neue überrascht und das ist doch viel besser als alles andere!

Mein neues Zuhause

In den letzten drei Monaten, also seit dem letzten Bericht, ist viel passiert. Dazu hatte ich an Weihnachten für mich persönlich einen wichtigen Schlüsselmoment. Ein Tag vor Weihnachten kam ich gerade von der Arbeit und bin noch über den Markt gelaufen, um einige Besorgungen zu machen. Während ich angeschrien wurde ,,kauf das, 1$, kauf das, 1$" habe ich das erste Mal in meiner Zeit hier wirklich realisiert, dass ich hier bin. Hier über 10.000 km von meiner Heimat entfernt. Ich habe gemerkt, dass ich morgen -genau hier- Weihnachten feiern werde. Nur fünf Minuten entfernt von dem Ort, wo die Leute für 1$ Äpfel, Hühnchen und Socken verkaufen. Das war für jemand Außenstehenden kein krasses Erlebnis aber für mich hat sich in diesem Moment irgendetwas in meinem Kopf verändert. Im Laufe der letzten Wochen habe ich immer wieder darüber nachgedacht und festgestellt, dass Deutschland zwar meine Heimat ist (und das wird sich auch nie ändern), mein Zuhause aber mittlerweile Ibarra ist. Diese Kleinstadt, in der ich seit sechs Monaten lebe, neue Freunde habe, die zur Familie geworden sind, meine Arbeit mit den Kindern, mein Reiseleben und meine Hobbys, wie zum Beispiel das Salsatanzen. Das alles ist zu meinem Zuhause geworden und dafür bin ich sehr dankbar. Im Mai wird sich das sicherlich wieder ändern, denn da komme ich zurück nach Deutschland, trotzdem hatte ich bis kurz vor Weihnachten noch nicht dieses Gefühl von einem Zuhause, wie ich es jetzt habe.  Deshalb sind vor allem die letzten Monate von vielen positiven Momenten geprägt worden. Das Verhältnis zu den Kindern wird immer herzlicher und man sieht einfach, dass sie mittlerweile gemerkt haben, dass man etwas länger hierbleibt. Man ist nicht einer von den Jungs und Mädels, die einmal die Woche von der Uni zu einer Nachmittagsaktivität kommen, sondern man ist die Freiwillige, die jeden Tag mit den Kindern zur Schule geht, die sie bei den Hausaufgaben begleitet und die mit ihnen in den Park zum Basketballspielen geht. Nicht, dass ich die Arbeit der Studenten kleinreden will, die Bindung ist nur eben eine andere, wenn man täglich mit den Kindern Zeit verbringt und sie in ihrem Leben begleitet.

Gesundheit & Reisen

Auch mein gesundheitlicher Zustand hat sich in den letzten Monaten nur verbessert und ich war kaum krank. Vor allem dieser Punkt hat auch dazu beigetragen, dass die letzte Zeit von positiven Momenten geprägt war. Die vergangenen Monate waren wir außerdem viel auf Reisen. Zum einen ging es für uns auf die Galápagos-Inseln, was einfach unglaublich war. Die Unterwasserwelt und die traumhaften Strände waren einfach nur beeindruckend. Außerdem haben wir als WG noch einen Kurztrip nach Kolumbien gemacht. Das ist für Ibarreños und auch allgemein Ecuadorianer relativ normal. Im Vergleich zu Kolumbien ist in Ecuador nämlich alles ziemlich teuer, vor allem was Kosmetikprodukte betrifft. Deshalb fahren viele Ecuadorianer nur zum Einkaufen über die Grenze und dann eben wieder zurück. Was aber auch vorkommt ist, dass man über die Grenze fährt und dann einen Inlandsflug in Kolumbien nimmt. Da kommt man sehr günstig in alle Städte Kolumbiens. Diesen Tipp von einer Arbeitskollegin haben wir befolgt und hatten somit eine schöne Zeit an der Küste. Kolumbien ist zwar nicht der sicherste Fleck auf der Erde, wenn man sich aber an einige Tipps der Einheimischen hält, wird es auf jeden Fall schonmal etwas sicherer. Auch der Karneval stand jetzt gerade an. Ecuadors Kultur da nochmal auf eine andere Weise kennenzulernen war sehr interessant. Statt sich hier wie in Deutschland zu verkleiden wird mit Schaum, Wasser und Eiern um sich geschmissen, sodass es sich nur lohnt, die ältesten Klamotten im Kleiderschrank anzuziehen. Diese vier Tage gehören auf jeden Fall zu einer der lustigsten in meiner Zeit bis jetzt hier in Ecuador.

Das WG-Projekt

Eine Sache, die ich zum Ende noch ansprechen will, ist unser Fortschritt, welchen wir als WG zusammen gemacht haben. Das ist vielleicht Ansichtssache aber für mich persönlich gehört es zur Entwicklung dazu. Als wir im August hier ankamen, waren wir uns alle sicher, dass wir einen Putzplan brauchen. Jeder hat ja schließlich eine andere Wahrnehmung von Sauberkeit und da erschien uns dieser Plan nur sinnvoll. Es wurde also wöchentlich zwischen dem Küchendienst, dem Baddienst, dem Wohnzimmerdienst und dem Mülldienst rotiert und immer vor dem Wochenende musste der jeweilige Dienst erledigt sein. Im Januar entschieden wir uns dann dieses deutsche Gedenke abzulegen. Oft war es einfach nur stressig sich an diese Regeln zu halten und hat für mehr Aufregung als Befriedigung gesorgt. Wir entschieden uns also einfach mal zu schauen was passiert, wenn wir genau diesen Putzplan nichtmehr haben. Der Gedanke dahinter war, dass jeder sich einfach selbst überlegt, ob er jetzt putzt, wenn er sieht, dass beispielsweise das Wohnzimmer dreckig ist. Dazu gehört eben, dass man den eigenen Egoismus etwas ablegt und einfach manches ohne Nachzudenken macht. Nach über einem Monat würde ich sagen, dass dieses Projekt mehr oder weniger klappt. Klar knackt unser abgespültes Geschirr von der Höhe und Stapelkunst ab und zu den Weltrekord, aber im Großen und Ganzen putzt irgendjemand immer mal etwas.

Zusammenfassend kann ich also sagen, dass die letzten drei Monate für mich persönlich eine sehr schöne Zeit waren. Ich hatte viel Spaß auf der Arbeit, war auf tollen Reisen und habe mich, auch neben meinem Putzverhalten, persönlich weiterentwickelt.