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Lilli - 1. Bericht

24.11.2022 - jetzt bin ich schon 3 Monate hier. Wie schnell die Zeit doch verfliegt. 3 Monate voller Höhen und Tiefen.

Aber nach jedem Tief geht es doch dann trotzdem immer wieder bergauf.

Meine ersten Eindrücke & Erfahrungen

Anfangs fiel es mir schwer in meinen neuen Alltag und in die Arbeit reinzukommen, weil ich mich mit meinen 18 Jahren, frisch aus der Schule und fehlenden Spanischkenntnissen vorerst doch noch nicht ganz bereit für mein neues Leben gefühlt habe. Aber mit jedem Tag in Ecuador und auch mit jedem weiteren Tag im Casa Ceibos wurde es besser, es gab zwar zwischendurch immer kleine Probleme und Herausforderungen, aber die gehören eben dazu. Ich habe nach und nach die Arbeit mit den Kindern kennengelernt, habe mehr über sie und sie mehr über mich erfahren. Was mir hier besonders Freude bereitet, sind die Momente, in denen wir zusammen lachen, in denen man gar nicht merkt welche teilweise grausamen Geschichten die Kinder mit sich herumtragen. Momente, in denen wir auf derselben Wellenlänge sind und ich fast vergesse, dass ich aus einem ganz anderen Land und einer ganz anderen Kultur komme. Weil uns immer wieder Sachen auffallen, die uns als Menschen verbinden, ganz egal aus welchem Land man kommt.

Das Zusammenkommen mit den Kindern, wie viele Erinnerungen wir jetzt schon teilen, trotz der kurzen Zeit. Mir fällt direkt ein Abend ein, an dem wir laut Musik gehört haben und Davide (der italienische Freiwillige, mit dem ich zusammen Schicht habe) plötzlich eine riesige Kissenschlacht gestartet hat. Aber auch die vielen Gespräche, in denen die Kinder mir Dinge aus ihrem Leben erzählen und ich ganz aufmerksam zuhöre und zwischendurch eine Frage stelle. Und manchmal verstehen sie mich eben nicht, aber dann wiederhole ich es halt oder versuche es mit Händen und Füßen zu erklären. Die Akzeptanz, die die meisten Kinder mir jeden Tag in der Arbeit zeigen, finde ich sehr bewundernswert. Dass man mit ihnen zusammen lachen kann, wenn ich ein Wort mal nicht richtig ausspreche oder dass sie nicht böse sind, wenn ich zum hundertsten Mal in der Woche frage, was Löffel auf Spanisch heißt, denn ich werde verflucht nochmal Löffel und Messer niemals auseinanderhalten können.

Naja, nach kurzer Zeit kam mit der Arbeit, dem Sprachkurs, dem Salsa-Kurs und all den anderen Sachen dann auch ein gewisser Rhythmus in mein Leben und ich habe gemerkt, wie mir manche Dinge immer leichter fielen und zur Gewohnheit wurden. Und auf einmal war Einkaufen auf dem Markt oder das Bezahlen der Stromrechnung keine Überwindung mehr und die Wörter kamen wie von selbst aus meinem Mund.

Und plötzlich merkt man, wie man nach und nach alle Ängste, Befürchtungen und Vorurteile abwirft und einfach im Moment lebt. Man lässt es passieren und wenn ich ehrlich zu mir bin, im Nachhinein ist doch sowieso fast alles gut gelaufen. Alles kam, wie es kam und wurde irgendwie gut, aber nie wie geplant. Aber jetzt mal wirklich, wer braucht denn einen Plan, wenn doch auch alles so funktioniert?

Was ich an Ecuador liebe:

Ob in Atacames am Strand liegen, in Cuenca durch die Straßen schlendern, in Otavalo über den Markt laufen, Canyoning in Baños, in Quito die Lebendigkeit der Stadt beobachten oder doch einfach in Ibarra die Zeit mit den anderen genießen: In diesen 3 Monaten habe ich das Land auf meine ganz eigene Art kennengelernt. Und obwohl vieles neu war, bin ich mit Offenheit an die Dinge herangegangen und bin jetzt im Besitz vieler toller Erfahrungen.

Wie befremdlich es anfangs war, dass die Busse immer und überall halten, dass es keine richtigen Haltestellen gibt, sondern dass man einfach den Arm raushält (Würde ich in Deutschland genauso einführen).

Wie teuer manche, aus dem Alltag nicht wegdenkbare, Artikel sind aber andersrum sind dann 5$ wieder viel für ein Mittagessen.  

Dass es zur Normalität geworden ist, manchmal ganze Schweine oder sogar Meerschweinchen an Spießen über dem Feuer zu sehen.

Dass die Wetterapp NIEMALS stimmt und man meistens alle vier Jahreszeiten an einem Tag erlebt.

Dass die Früchte hier einfach so unfassbar günstig sind.

Dass es hier Milch in Tüten gibt?!?

Das Klingeln des Gasautos, was ich mittlerweile aber schon gar nicht mehr höre, weil es zur Gewohnheit geworden ist.

Die Reisebusse, die dich über Nacht an jeden beliebigen Ort in Ecuador bringen.

Die Unternehmungen mit meinen neuen Freunden aus Ibarra, die Erlebnisse die wir teilen.

Aber auch die WG als Rückzugsort. Ich schätze die gemeinsamen Abende, an denen wir einfach nur dasitzen und reden und dann plötzlich merken, dass wir die Zeit vergessen haben.

Die Leichtigkeit, mit den anderen Mädchen aus der WG über meine Probleme zu sprechen. Die Gewissheit, dass wir uns auszutauschen können und die Freude, das Leid und all die Erfahrungen miteinander teilen zu dürfen.

Unterscheidet sich mein Leben hier sehr von dem, welches ich in Deutschland geführt habe?

Die Differenzen zwischen Ecuador und Deutschland sind da, ja, beides hat seine Vor- und Nachteile. Aber wie ist das, wenn man sich wohl fühlt vor Ort und trotzdem manchmal schreckliches Heimweh hat? Plötzlich vermisse ich Dinge, die ich eigentlich nie gebraucht hab, denn ich habe gelernt: Man vermisst etwas erst, wenn man es nicht mehr hat. Also habe ich angefangen zu schätzen, was ich hier in Ecuador habe, denn die Dinge hier werde ich in 9 Monaten genauso in Deutschland vermissen. Also wieso sollte ich mich dann daran festhalten, was ich von zuhause vermisse? Es ist ja nicht für immer weg. Ich komme ja wieder.

Aber ja, Heimweh gehört eben dazu. Es läuft nicht immer alles so, wie man es sich wünscht.

Es gibt auch nicht so schöne (besser gesagt: beschissene) Tage. Tage, an denen ich am liebsten einfach zuhause in Deutschland bei meiner Familie wäre. Aber das ist okay, denn im Herzen bin ich immer mit meinen Liebsten verbunden, seien es 10 oder 10.000 km, die zwischen uns liegen. Das spielt doch keine Rolle.

Naja, ein Jahr weg von zuhause. Vielleicht habe ich das unterschätzt. Vielleicht ist es doch schwerer als gedacht.

Aber so ist das eben, manchmal muss man sich von etwas lösen um seinen eigenen, neuen Weg zu gehen.

Lernen

Ein so großes und wichtiges Thema für mich.

Was ich in der Zeit hier über mich selbst lerne, aber genauso was ich über das Land und die Kultur lerne.

Wie ich nach und nach die Sprache erlerne.

Wie ich lerne, meine Grenzen zu zeigen und manchmal auch über meinen eigenen Schatten zu springen.

Wie ich den Umgang mit den Kindern lerne.

Wie ich lerne, in schwierigen Situationen klarzukommen.

Und so, so vieles mehr.

Ich bin gespannt was die nächsten 9 Monate noch mit sich bringen werden und ich bin ganz bereit für all die prägenden Erfahrungen, die mich in der Zukunft noch erwarten werden. :)