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Feli - 3. Bericht

Feli

Als die Kinder am Freitag ins Auto gestiegen sind

und ich alle noch umarmt habe und J. im Kofferraum stand und ich weinend vor ihr stand, tat‘s richtig weh. I. ist dann neben ihr eingestiegen und die Kinder schauen immer so besorgt, wenn man weint. Sie beugen sich dann auch neben dir runter, wie du das eigentlich machst und versuchen dir ins Gesicht zu schauen und fragen dann mit sanfter Stimme: Por qué lloras, Feli? Und ich hab sie dann angeguckt, in diese warmen braunen Augen, die ich wahrscheinlich nie wieder sehe, weil sie hoffentlich adoptiert oder wieder in ihre Familie eingegliedert werden, hatte diesen Kloß im Hals und antworte ihr: Porque me voy… para siempre. Was ist „für immer“ für eine Dreijährige? J. hat glaube ich „den Ernst der Lage” irgendwie verstanden und mich auch nochmal gedrückt. B. und A. wissen, dass sie mich wahrscheinlich nie wieder sehen und man baut einfach eine Bindung über 9 Monate auf. Ich konnte die beiden fast nicht mehr anschauen, weil sie auch geweint haben. Es ist auch eine Ehre so eine wichtige Person für die Kinder zu sein. Ich bin neben dem Auto hergerannt und hab noch gewunken und Kusshände geworfen, und ich hab ein paar Kids lächeln sehen. Weil das ist, was ich das Jahr über oft gemacht habe: Aus dem Nichts komisch zur Musik tanzen oder schräg mitsingen oder jemandem hinterherrennen, um ihn dann unter den Arm zu klemmen und zu kitzeln. Ecuador war eine Bereicherung, die ich nicht missen möchte. Ich meine, ich wüsste auch nicht, was ich gemacht hätte, wenn ich keinen Freiwilligendienst gemacht hätte. Allerdings weiß ich jetzt mehr über mich selbst und hab mehr gelernt und erlebt als in der Uni. Klar, andere sind auch von zuhause ausgezogen und haben sich selbst versorgt und haben Verantwortung übernehmen müssen, aber sie haben eben nicht in einem anderen Land auf einem anderen Kontinent in einer WG gelebt und mit Kindern gearbeitet, für die man auch oft und gerne Verantwortung übernommen hat und das ganze eben nicht auf einer Sprache, die man erst noch lernen musste. Und dafür bin ich dankbar. Dankbar, dass ich so viele tolle, neue Leute kennenlernen durfte, dass ich echte Freunde gefunden habe. Dankbar, dass ich eine zweite Familie, Schwestern und nervige Brüder gefunden habe. Dankbar, dass ich ein wundervolles Land erkunden konnte, dass ich ein Jahr im casa familia Bellavista helfen konnte, dass ich all diese Kinder lieben gelernt habe, auch wenn ich mir einmal dafür das Knöchelband anreißen musste. Dankbar, dass ich bei dem besten Tanzlehrer Salsa lernen konnte, dass ich in unserer Stammbar bekannt und gerne gesehen war. Dankbar, dass ich am Ende keine Touristin mehr war und mich auch nicht so gefühlt hab. Ich war beziehungsweise bin Ecuadorianerin. In meinem Herzen wird Ibarra die Hood bleiben, allein schon, weil man willkommen ist zurückzukommen, weil man mehr als einen Schlafplatz hat, weil man geliebt wurde. Ich weiß nicht, wie Deutschland wird. Ich werde mich an Buspläne halten müssen, wieder pünktlich sein, die Entspanntheit wird fehlen, weil alles wieder stressig wird. Alles wird wieder hyperkorrekt sein, und man wird sich in Kleinigkeiten verrennen anstatt es einfach zu TUN. Versteht mich nicht falsch, ich freue mich sehr auf Deutschland, auf ein Briegel mit Gouda jung, aber ehrlich gesagt, auch wenn ich nie ein gutes Wort über ecuadorianischen Käse verloren habe, am Ende hatte ich mich dran gewöhnt und hab manchen Käse tatsächlich gerne gegessen. Ich mag auch keinen Reis und es gab diese 9 Monate selten einen Tag, an dem ich keinen Reis gegessen habe. Das war einfach schlimm. Es gibt leckere Gerichte in Ecuador, aber das überall Reis dazu muss, naja… Was ich sagen will, der Mensch kann sich an viele Dinge anpassen und man kann lernen Dinge zu mögen. Ich werde mich wieder an Deutschland gewöhnen, natürlich, aber als wir die neuen Freiwilligen getroffen haben, meinten wir danach alle, die sind noch richtig im „Deutschsein“ drinne und wir fanden’s alle bissl anstrengend. Ich weiß noch, wie Claudia einmal meinte, die Italiener wären so stressig in der Planung und wollen genaue Listen von wegen wer alles mitkommt und ich meinte, wenn das Geld ausreicht, ist das doch egal und Claudia hat sich für die Aussage nur bedankt. Ich meine, vielleicht sind wir auch für deutsche Verhältnisse entspannt gewesen und es ist jetzt nur mehr geworden. Vielleicht werde ich diese Menge an Entspanntheit beibehalten und hoffentlich auch ein paar Wörter im Sprachgebrauch.