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Caspar - 2. Bericht

Hallo alle zusammen,

Als ich mit Fieber und Durchfall zuhause bleiben musste, habe ich mich gefragt:

Wenn ich in drei Monaten wieder nach Hause gehe, was bleibt mir von diesem Jahr?

Dieser Freiwilligendienst katapultiert uns aus unserer Komfortzone in Deutschland. All das, was unser Leben zuhause geprägt hat (Familie, Freunde, Arbeit und Hobbys), rückt in den Hintergrund, um Platz zu machen für etwas anderes. Diese Zeit in Südamerika gibt uns die Möglichkeit, sich neu kennenzulernen, ungewöhnliche Gewohnheiten zu etablieren, auf Menschen offensiv zuzugehen und über den eigenen Schatten zu springen.

Und genau das haben wir die letzten 6 Monate auch gemacht. Inzwischen haben wir hier ein zweites Zuhause gefunden, bzw. diese Wohnung in Ibarra zu unserem zweiten Zuhause gemacht. Die „Arbeit“ mit den Kindern, der WG-Alltag, das Reisen und die neuen Freunde, die wir gefunden haben, haben das fremde Land Ecuador zu einem Ort verwandelt, an dem wir uns wohlfühlen.

Vor allem in den letzten drei Monaten hat man nochmal mehr angefangen, sich mit diesem Freiwilligenprojekt zu identifizieren. Die Vertrautheit mit den Kindern lässt sich nicht erzwingen, sondern braucht einfach Zeit. In unserer Casa waren vor allem die älteren Kinder zu Beginn noch vorsichtiger, sich zu öffnen. Sie haben Freiwillige schon vorher kommen und gehen sehen. Sie wissen, dass es wehtut, wenn man eine Bezugsperson verliert. Langsam, aber sicher haben wir trotzdem unsere gemeinsamen Nenner gefunden und wissen, wie der jeweils andere so tickt. Verständlicherweise ist die zwischenmenschliche Beziehung nicht so verspielt und sorglos, wie bei den kleineren Kindern, aber es ist eine Freundschaft entstanden.

Auch der Kontakt zu Claudia und Esperanza ist inzwischen weniger funktional, sondern vielmehr freundschaftlich. Man erzählt sich Geschichten und lacht zusammen. Natürlich hat sich dadurch ebenfalls die Perspektive auf die Arbeit verändert, weil man versteht, dass der Gesamtkontext größer ist als die eigene 7-Stunden Schicht.

Außerhalb der Arbeit ist die eigene Freizeitgestaltung schon zur Routine geworden. Neben dem Salsa-Kurs, Fußballtraining und den Treffen jeden Donnerstag im Gong, sind Schachpartien am Frühstückstisch, Serienabende auf dem Sofa und Wochenendausflüge einfach Normalität geworden. Der Kontakt zu Ecuadorianern fühlt sich natürlich an, die Sprachbarriere behindert das Gespräch kaum noch und es ist spannend sich gemeinsam über Themen zu unterhalten, die dem einen ganz banal erscheinen, dem anderen völlig unbekannt sind. Nur weil sich ein Land vielleicht in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befindet, darf man auf keinen Fall dieses Stigma auf die einzelnen Personen übertragen. Ich habe hier wirklich beeindruckende Persönlichkeiten getroffen.

Außerdem hat sich durch den weltwärts-Tag auch unser Freiwilligen-Netzwerk ausgeweitet. Wir treffen uns inzwischen mit Freiwilligen aus anderen Projekten/Städten an den verschiedensten Orten Ecuadors wieder und erkunden das Land. Als Deutsche hier in Ecuador den Lebensalltag zu meistern, verbindet mehr als ich dachte. Und natürlich kommen alle aus verschiedenen Regionen in Deutschland und im Detail findet man Dialektunterschiede, aber alle, bis auf die „Berliner“, stimmen mir zu, dass es Flanky-Ball heißt, nicht Bierball, und wissen meistens auch, wie man eine Flasche Bier hält. Nicht, dass es jetzt nur ums Trinken geht bei uns. Man muss nämlich auch sagen, dass eigentlich alle weltwärts-Freiwillige das Herz am richtigen Fleck haben, ansonsten hätten sie das Programm gar nicht erst gemacht. Ich habe richtig viele tolle Menschen kennengelernt! Die Alltagsrealität von anderen Freiwilligen in anderen Projekten mitzubekommen ist total beeindruckend, trotzdem muss ich sagen, dass ich keinesfalls tauschen wollen würde. Die Arbeit mit den Kindern in Yuyu2 ist geduldstechnisch anspruchsvoll und emotional fordernd, aber um ehrlich zu sein, würde ich kein Kind freiwillig hergeben wollen. Diese zwischenmenschliche Verbindung mit den Kleinen (und „Großen“) entsteht nicht in vielen Projekten, so viel ist klar. 

Also zurück zur Anfangsfrage:

Wenn ich in drei Monaten wieder nach Hause gehe, was bleibt mir von diesem Jahr?

Keine Ahnung, was mir letztendlich von diesem Jahr bleibt. Für mich geht es jetzt darum, die Zeit mit den Kindern zu genießen, ein bisschen zu reisen und viel zu lachen. Den Rest spare ich mir für den dritten Bericht auf. Sich andauernd den Kopf über sowas zu zerbrechen hilft doch keinem.